Suesser Als Blut
aber du bist ja nicht an deine Telefonmaschine gegangen.«
Ach ja, mein Handy lag ja immer noch irgendwo im Blue Heart herum.
»Macht ja nichts, nun bist du hier.« Ich musterte sie fragend. »Steckt Holly wieder in Schwierigkeiten?«
Agatha trippelte über die Anrichte auf mich zu. »Quatsch! Ich soll dir nur was von ihr ausrichten, hohe Herrin.«
Ich schaute zum Fenster und sah, dass die Sonne unterging. Ich musste rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit in meiner Gefängniszelle sitzen, denn die Vampire konnten sich meinetwegen – buchstäblich! – die Köpfe einschlagen und einander die Herzen rausreißen, ich würde mir das jedenfalls nicht anschauen. Meine Ungeduld mühsam zügelnd, fragte ich: »Und was sollst du mir ausrichten, Aggie?«
Sie musterte mich besorgt mit ihren braunen Kulleraugen. »Du bist mir auch nicht böse?«
»Wieso sollte ich dir böse sein, Aggie?«
»Wegen der Magie.« Sie krampfte ihre runzligen kleinen Hände in ihre Blümchenschürze. »Hab nicht gewusst, dass es so viel is’. Das habe ich erst gesehn, wie du die ganze Suppe geschluckt hast.«
Meine Augen wurden schmal. Ich trat einen Schritt auf sie zu. »Magie? Welche Magie?« Agatha zuckte zurück, und ich blieb stehen, um sie nicht noch mehr zu erschrecken. Da fiel mir Finns kleines »Experiment« wieder ein. »Aggie, du machst dir doch nicht etwa Sorgen wegen all der zusätzlichen Magie, oder? Das war Finn, einer seiner fiesen Tricks; es war nicht deine Schuld.« Ich schob meine Hände in die Gesäßtaschen meiner Jeans. »Warst du deshalb hinterher so unglücklich?«
»Entschuldig vielmals, hohe Herrin.« Ihr runzliges Walnussgesichtchen warf tiefe Falten. »Hab mir solche Sorgen gemacht, du könnst denken, ich hätt’ versucht, dich reinzulegen. Entschuldigst schon.«
»Ich bin dir nicht böse okay?«, sagte ich mit einem verkniffenen Lächeln. »Also, was sollst du mir von Holly ausrichten?«
»Der Schatz möcht’ dass ich dich zu ihr bring.« Sie runzelte ihre Knollennase. »Ihr Freund will dich was fragen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Aggie, aber das ist unmöglich. Selbst heute, am Sonntag, würde es mindestens eine Stunde dauern, bis wir bei euch im Restaurant sind. Und eine Stunde für den Rückweg.«
»Nein! Es dauert bloß eine Minute.« Sie bot mir ihre kleine runzlige Kinderhand. »Wir gehen Dazwisch’n – aber halt deinen Mund, verstehst?« Sie winkte mich eifrig zu sich. Ein gerissener Ausdruck trat auf ihr Wurzelgesicht. »Und der hohen Herrin Meriel würdest auch einen Gefallen tun, nicht wahr?«
Lady Meriel vom Serpentine Lake – die Herrin der Naiaden von London, einer Art Wasserfeen – war, soweit ich wusste, jemand, den man besser nicht vor den Kopf stieß. Nicht dass ich ihr je begegnet wäre.
»Warum würde ich Lady Meriel einen Gefallen tun?«
Aggie grinste schlau. »Na, weil sie Hollys Mutter ist.«
Holly war Meriels Tochter? Das erklärte zumindest, wieso Holly eine Hauselfe besaß – und warum es ratsam war, mit Aggie mitzukommen, um zu sehen, was Holly von mir wollte. Ich konnte es mir nicht leisten, die Fae-Gemeinde zu verprellen, nicht, solange ich noch einigermaßen in ihrer Gunst stand.
»Warte einen Moment, Aggie, ich hab’s gleich.« Ich ging zu meinem Computer, schrieb eine kurze Nachricht an Hugh und klebte den Zettel an den Bildschirm. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass Aggie ihren Nussschädel in einen Küchenschrank gesteckt hatte. Kopfschüttelnd tauchte sie wieder auf und drehte sich so schwungvoll zu mir herum, dass sich der Saum ihres Blümchenkittels bauschte. »Kind Gottes, du hast ja nix zum Essen daheim!«, rief sie empört. »Bloß Zuckerzeug und Salz!« Ihre Haare standen vorwurfsvoll in Büscheln von ihrem Kopf ab. »Kein Wunder, dass du so bist. Nein, das geht nicht.«
»Aber vielleicht kannst du mir ja helfen.« Mir war gerade eine Idee gekommen. »Ich hab doch immer noch all diese Magie aus deiner Küche, Agatha. Aber irgendwie kann ich überhaupt nichts damit anfangen.«
»Och.« Ihre runzelige Stirn glättete sich ein wenig. »Ich hab’s dir doch gesagt: Hauselfenmagie wirkt da, wo sie gebraucht wird. Die wirst sie nicht los, solang du sie noch brauchst, weißt schon, da drin.« Sie schlug sich auf die Brust. »Gegen die Traurigkeit, hohe Herrin.«
Na ja, das erklärte es zumindest … »Danke, Agatha« – ich nickte -, »danke, dass du mir das erklärt hast.«
»Hmpf.« Sie schlug die Schranktür zu. »Können wir gehen?«
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