Suesser Als Blut
Sehr schmeichelhafter Vergleich.
Ich starrte die nackten Vampire an. Declan hatte mich vielleicht nicht direkt angelogen, aber das spielte manchmal keine Rolle. Wenn es um Magie ging, zählte auch die Absicht, die dahintersteckte. Und seine Absicht war eindeutig gewesen, den Eindruck bei mir zu erwecken, Melissa sei eine Angehörige meiner eigenen Rasse.
Mit Magie ist nicht zu scherzen.
Ich musste an meine Kindheit zurückdenken, an einen Vorfall, der mir dies auf unvergessliche Weise klargemacht hatte.
Mein Vater hatte mir verboten, ein Kelpie – ein Wasserpferd – wiederzusehen. Und ich hatte ihm mein Wort gegeben. Aber ich war trotzdem noch einmal hingegangen. Ich hatte es zwar nicht angeschaut – also nicht »wiedergesehen« -, aber mit ihm geredet.
Und das war sein Tod gewesen.
Nicht mein Vater hatte das schöne Tier umgebracht, sondern die Leute aus der Umgebung. Sie hatten Angst gehabt, dass dieses Wesen sie ertränken und ihnen die Seele rauben würde. Vater hatte mich zu dem blutüberströmten, zerfetzten Kadaver geschleift und gesagt: »Du hast mir dein Wort gegeben, Genevieve. Und dich nicht daran gehalten. Das Wasserpferd war eine Gefahr für uns alle. Jetzt siehst du, was deine Ehrlosigkeit angerichtet hat.«
Wenn ich nicht noch einmal zu dem Tier hingegangen wäre, dann wäre es längst fort gewesen, als die Leute kamen, um es zu töten.
Ich war neun Jahre alt gewesen.
Mit Magie ist nicht zu scherzen.
Ein Geräusch riss mich in die Gegenwart zurück.
»Melissa ist nicht durch einen Zauber getötet worden«, sagte ich.
Fiona keuchte überrascht auf. »Woher wissen Sie das? Haben Sie ihre Leiche gesehen?«
Ich schaute sie an. »Das brauche ich gar nicht. Melissa ist so gestorben, wie es im Polizeibericht steht: Akuter Blutmangel. Von einem Vampir ausgesaugt.« Ich deutete auf Declan. »Richten Sie ihm das aus. Und sagen Sie ihm, dass ich meine Seite unseres Vertrags eingehalten habe. Nun ist er dran.«
Sie runzelte die Stirn. »Ich begreife nicht.« »Brich nie eine Vereinbarung mit einer Fae.« Ich lächelte, aber es war ein bitteres Lächeln. »Die Magie fordert immer ihren Preis.«
Mick musterte mich mürrisch. »Verschwinde, Genny. Du bist hier unerwünscht.«
Ich seufzte. Fiona und Mick hatten meine Vermutungen bestätigt. Und falls sie tatsächlich wussten, um was es sich bei diesem Zauber handelte, würden sie es mir nicht freiwillig verraten. Das würde ich schon aus ihnen herausprügeln müssen, und so weit wollte ich nun doch nicht gehen. Ich hatte meine Pflicht getan. Aber etwas wirklich Neues hatte ich nicht erfahren … noch nicht.
Hatte Fiona recht mit dem, was mir die Zukunft bringen würde? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
Ich packte sie beim Arm, direkt über ihrem Handschuh, dort, wo nackte Haut war.
Mick brüllte auf und versuchte, meine Hand wegzureißen. Fiona riss Augen und Mund auf. Ich hielt ihren Arm eisern umklammert. Sie fiel schwer auf die Knie und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Aufhören!«, flehte sie mich an. Ihre Lider flatterten. »Bitte!«
Ich ließ sie los, und sie brach zitternd auf dem roséfarbenen Teppichboden zusammen.
»Verschwinde!«, brüllte Mick und stieß mich beiseite. »Los, verzieh dich!«
Er nahm sie auf die Arme, bettete ihren Kopf an seine Schulter und flüsterte ihr beruhigende Koseworte ins Ohr. Er trug sie zum Bett und legte sie sanft zwischen die beiden Vampire.
Sie rollte sich seufzend auf die Seite und kuschelte sich an Declan, als wäre er ein übergroßer Teddybär.
»Was haben Sie gesehen, Fiona?«, wollte ich wissen.
Sie schaute mich mit ihren großen grauen Augen an. Ihre Pupillen waren geweitet, auf ihrer Stirn standen kleine Schweißtröpfchen. »Nichts«, flüsterte sie. »Nichts als Nebel.«
Kacke.
Ich tat Mick den Gefallen und verzog mich.
36. K apitel
A ls ich meine Wohnungstür aufmachte, ertönte ein lautes Scheppern. Es kam aus der Küche. Ich blieb wie erstarrt stehen. Mit wild klopfendem Herzen spähte ich ins Wohnzimmer. Ich hörte ein diskretes Hüsteln, dann ein plopp , und plötzlich saß Agatha, die Hauselfe, auf meiner Anrichte.
»Grüß Gott auch, hohe Herrin.« Ihre runzeliges Gesicht verzog sich zu einem schüchternen Grinsen. »Wollte nicht stören.«
Ich atmete erleichtert auf. »Hallo, Agatha. Nett, dass du bei mir vorbeischaust.« Jeder schien dieser Tage unangemeldet bei mir vorbeizuschauen. Warum nicht auch sie?
»Mein Schatz hat angerufen,
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