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Suesser Als Blut

Suesser Als Blut

Titel: Suesser Als Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne McLeod
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denn es hatte erneut geblitzt: eine japanische Touristin fotografierte uns mit einer Mini-Kamera.
    Der Earl schob meine Hand in seine Armbeuge. »Unglücklicherweise ist heutzutage nicht jeder dieser Meinung. Die Welt dreht sich immer schneller und schneller, und die Leute scheinen unfähig oder nicht willens, vorausschauend zu agieren und die Konsequenzen ihrer Handlungsweise zu berücksichtigen. Es geht ihnen nur noch um die Befriedigung ihrer unmittelbaren Bedürfnisse.«
    »Nun, die Befriedigung unmittelbarer Bedürfnisse ist doch das, was die meisten Angehörigen Ihrer Spezies pflegen, oder?«
    »Man braucht Zeit und Erfahrung, um wirklich zu verstehen, wohin die Zukunft uns führt und was zu tun ist, um sie zu sichern.« Er tätschelte seufzend meine Hand. »Die Jugend ist unfähig zu begreifen, wie sehr unser Planet unter der gedankenlosen Verschwendung unserer kostbaren Ressourcen leidet.«
    »Hm.« Na toll, das hatte mir gerade noch gefehlt: ein umweltbewusster Vampir, der mir Predigten über die Übel der Welt hielt.
    »Aufklärung ist vonnöten, aber …«
    Abermals blitzte es, und die Hand des Earls auf meinem Arm verkrampfte sich unwillkürlich. Ein gereizter Ausdruck huschte über sein Gesicht. Da tauchte ein Vampir in Hausuniform – marineblaue Hose, marineblaues Hemd mit silbernen Streifen – neben der Japanerin auf und nahm ihr die Kamera aus der willenlosen Hand.
    »Ich muss mich entschuldigen, Genevieve«, sagte der Earl, »das Personal wird dafür sorgen, dass der Film vernichtet wird. Manchmal fällt es unseren Gästen schwer, die Clubregeln zu begreifen.«
    »Wenn Sie nicht möchten, dass Fotos gemacht werden, warum
dann die ganze Publicity?« Ich deutete auf die riesigen Poster der Vampirmodels, die auch hier im Foyer, jede freie Fläche zierten.
    »Sie haben ganz Recht. Das muss tatsächlich ziemlich widersprüchlich erscheinen.« Er führte mich weiter. »Aber heutzutage ist dies eine gar zu lukrative Option, auf die zu verzichten wir uns nicht leisten können. Auch wir Vampire müssen uns der modernen Zeit anpassen, wenn wir überleben wollen.«
    Wir durchquerten das Foyer, und die Menge teilte sich vor uns wie das Rote Meer. Ich hielt den Earl zwar nicht für Moses, vermutete aber, dass er es war, der dies mit einem seiner Tricks bewirkte.
    »Manche von uns haben jahrhundertelang mühsam immer wieder neue Identitäten für sich geschaffen, wenn es die Situation erforderlich machte«, fuhr er fort. »Aber die Erfindung des Fotoapparats und der fotografischen Ausweise machte es uns immer schwerer, jenen zu entfliehen, die uns zu zerstören suchten. Also haben wir gelernt auszuweichen, uns anzupassen. Aber wie bei allen alten Gewohnheiten ist es nicht leicht, sich umzustellen.«
    Eine weitere schlechte Gewohnheit von ihm war es offensichtlich, das Gespräch an sich zu reißen. Aber ich war nicht an seinem Geschwätz interessiert.
    Ich wollte den Grund wissen, warum er mich hierher eingeladen hatte.
    Wir blieben vor der Schwingtür stehen, die in den hinteren Teil des ehemaligen Kinos führte. Daneben saß auf einem Hocker ein weiterer Monitor-Goblin. Auf seinem marineblauen Overall prangten fünf identische Broschen, blaue Glasherzen – eine Art Rangabzeichen? Als er den Earl erblickte, neigte er grüßend sein Haupt mit den blau gefärbten, zu Stacheln geformten Haaren. Dann grüßte er auch mich, hielt die Hand hoch und stieß hohe, zwitschernde Laute aus.
    »Sie müssen ihm bedauerlicherweise Ihre Einladung zeigen«,
sagte der Earl leise. »Und ihm erlauben, Sie zu berühren.« Er ließ mich los, sodass er selbst mich nicht mehr berührte. »Das war eine der Zulassungsbedingungen unseres Clubs. Nur Gäste, die unser Haus aus eigenem freiem Willen betreten, dürfen eingelassen werden.«
    Ich erwiderte den Gruß des Goblins und hielt ihm dann meine silberne Einladung hin.
    Der Kobold musterte das metallene Rechteck und umklammerte dann kurz meine Finger. Er stieß mit der Ferse an ein Metallbein seines Hockers, sodass sein Sneaker blau blinkte. »Okey-dokey. Darf passieren und Party machen. Viel Spaß, Miss.« Er griff nach hinten und drückte auf den Knopf für den Privatlift. Ein »Ping« ertönte, die Lifttür glitt auf, und der Earl drängte mich sanft, eine Hand an meinem Rücken, auf den Aufzug zu.
    Es war ein ziemlich kleiner Aufzug. Kaum genug Platz für zwei Personen. Ich zögerte: Ich war nicht klaustrophobisch oder so was, aber wenn es sich bei der zweiten Person um einen Vampir

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