Süßer die Glocken (German Edition)
weitermachen und sich an dem laben, was sich ihm so freigiebig bot. Aber falsch blieb falsch, auch an Weihnachten. Er ließ sie los und rollte von ihr runter.
»Danke!« Wieder lief eine Träne über ihre Wange.
»Weinst du jetzt, weil ich Hurenrot gesagt habe, beinahe etwas Dummes getan hätte … oder weil ich es nicht getan habe?«
Sie sah ihn einen Augenblick an, als könne sie der Frage nicht folgen, dann grinste sie ein weinseliges Grinsen.
In diesem Moment bemerkte Erik zum ersten Mal die leere Tablettenpackung neben der Flasche.
»Hast du die etwa alle genommen?«
»Nein, waren nur noch ein paar drin,« nuschelte sie undeutlich und gähnte dann herzhaft.
»Wolltest du dich umbringen?«
»Hatte ich kurz dran gedacht – aber den Triumpf gönne ich dem Scheißkerl nicht.« Ihre Stimme schien wieder ein wenig mehr unter Kontrolle ihres Gehirns zu stehen, als kurz zuvor.
Unter seinem skeptischen Blick hob sie eine zweite Packung Tabletten aus der Couchritze und warf sie ihm ungelenk zu. Sie war unberührt.
»Wusssstest Du, dassss Peter ein Heiratssssschwindler issst?«
Verflixt! Er starrte die angetrunkene Schönheit vor sich an. Bei all seiner Kostümierung hatte sie ihn doch erkannt. Oder nicht?
»Ich hoffe für dich, dass du nur die Geschenke der Erwachsssenen klausst …« Sie hob tadelnd einen Finger und wackelte damit vor ihrer Nase herum. Dabei sah sie weniger aus wie die Hexe im Märchen, als vielmehr wie eine unschuldige Elfe, die beschlossen hatte, gar nicht mehr unschuldig sein zu wollen. Ein verlockender Gedanke.
»Guck nicht so entssetzt … iss voll verdient …« Ihr Lachen klang fröhlich und unbeschwert.
Selbst wenn sie es wusste, sie konnte es nicht beweisen, sie war betrunken und verlassen worden – oder hatte verlassen – und wer würde ihr schon glauben?
»Hast du ihn verlassen oder er dich?« Die Frage brannte ihm auf einmal auf der Zunge.
»Tsktsktsk … keiner hat niemanden verlassen.« Sie zwinkerteihm zu. »Ich war hier noch nicht fertig, aber die Idee fehlte mir noch …«
»Rache?«
»Ein ssschönes Wort …« Verträumt drehte sie sich eine blonde Locke um den Finger. Als sie ihn abermals ansah, wirkte sie auffallend nüchtern. »Er ist nicht versichert … Die Safekombination ist 73647932 und der Ordner über alle Konten und Geheimzahlen ist der zweite von links im obersten Board. Nimm mit, was du brauchst oder willst.«
»Und du?«
»Oh, ich bin doch die reiche Frau, die ausgenommen werden sollte wie eine Weihnachtsgans,« wiegelte sie empört ab.
Lachend wandte sich Erik Richtung Safe. Wenn er sich nicht täuschte, musste sein älterer Bruder, der Freund der Reichen und Schönen, dort auch das Testament hinterlegt haben, das seiner Halbschwester zumindest ein finanzielles Auskommen garantierte.
»Erik?« Obwohl er wusste, dass sie ihn trotz seiner Verkleidung erkannt hatte, erschrak er bei dem Klang seines Namens. Langsam drehte er sich um. »Bist du auch ein Heiratsschwindler?« Sie klang besorgt, als überlege sie zum ersten Mal, ob sie gerade das Richtige tat.
»Nein, ich bin nur ein gewöhnlicher Dieb, der seiner kleinen Halbschwester hilft.« Er wusste, dass er verbittert klang. Vom Vater verstoßen, vom Bruder übertrumpft und ohne eigene Mittel, mit denen er seiner kleinen Schwester oder deren Mutter helfen konnte, aber es war Weihnachten. Der Tag im Jahr, an dem alles gut wurde.
Nervös suchte er in den Unterlagen nach dem Testament. Es musste einfach dort sein. Er selbst hatte gesehen, wie sein Vater es damals aufgesetzt hatte. Direkt nachdem er ihn enterbt und statt dessen seine Tochter eingesetzt hatte. Das Geld und die Wertgegenstände, die er zur Seite räumen musste, interessierten ihn weniger. Schließlich konnte er der hübschen Nikoläusin – ergrinste bei dem Gedanken an die vielen überflüssigen läuse und innen – ihren Wunsch nicht erfüllen. Denn dann würde der Verdacht seines Bruders auf sie fallen.
Er drehte sich zu ihr um, aber sie schlief. Ihr Gesicht auf die Arme geschmiegt und trotz ihres sexy Kostüms herrlich unschuldig.
»Verflucht sei die Unschuld!«, verkündete er leise und sah auf die Uhr.
Er hatte noch eine halbe Stunde. Eventuell.
»Das ist echt die dämlichste Idee, die ich je hatte«, verkündete er, nur um sich selbst daran zu erinnern. Nichtsdestotrotz hievte er Steffi in sein Auto.
Und nun?
Er konnte sie ja schlecht wie ein Neandertaler über die Schulter geworfen bis in ein Hotelzimmer tragen. Also
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