Süßer die Glocken (German Edition)
Mann fotografierte sie dann und wann. Wobei er immer betonte, dass er sie sich gerne ansah, wenn er alleine auf Geschäftsreise sei.
Sie mochte den Gedanken nicht, dass er in einem winzigen Hotelzimmer saß und sich einen runter holte. Aber es war ihr lieber, er tat es während er ihre Bilder anschaute, statt der billigen Pornos im Pay-TV. Diese Fotos würden Jens durch die einsamen Stunden begleiten, in denen er fernab der Familie weilte und für ihren angenehmen Lebensstil das Geld heranschaffte. Eigentlich hatte sie vorgehabt, ihm ein neues Smartphone zu schenken, aber ein Smartphone konnte er sich ja auch jederzeit selber kaufen.
Sie fasste sich ein Herz und betrat den Laden. Ein kleines goldenes Glöckchen bimmelte leise.
Die Ladeneinrichtung wirkte recht antiquiert, aber auf angenehme Weise. Es war, als sei die Zeit an diesem Fotogeschäft vorbeigerauscht, die Hektik der Moderne hatte keinen Weg in das Innere gefunden.
An der ihr gegenüberliegenden Wand stand ein großer, sehr altmodisch geschmückter Weihnachtsbaum, und als der Fotograf aus dem Hinterzimmer kam, trug er einen sehr traditionellen Anzug.
Überraschenderweise war er sehr jung und ausgesprochen sexy.
Er begrüßte seine Kundin mit einem Lächeln, das sie dahinschmelzen ließ.
Tina schluckte. Von diesem Mann sollte sie sich fotografieren lassen? Nackt? Das ging nicht! Sie würde ihm die Klamotten vom Leibe reißen und über ihn herfallen, bevor er nur ein einziges Bild geschossen hatte!
»Ähem«, stammelte sie verlegen. »Sind Sie der Fotograf, der diese erotischen Bilder macht?«
Er lachte. »Nun, wenn Ihnen das unangenehm ist, kann auch meine Verlobte die Fotos machen.« Er wandte sich in Richtung Hinterzimmer. »Victoria, kommst du?«
Nun betrat ein Engel das Zimmer. Victoria trug ein streng geschlossenes, weißes Kleid, und sie sah himmlisch darin aus. Ihr langes, rotes Haar war zu Locken gedreht, und das erschien Tina zugleich sowohl unschuldig als auch sündig.
Tina hatte noch nie mit einer Frau geschlafen, selbst in ihrer wildesten Zeit nicht, aber dieser Anblick ließ ihre Knie weich werden.
Victoria hatte einen kleinen Mund. Sie trug keinen Lippenstift, und trotzdem wirkten ihre Lippen wie reife Kirschen. Tina musste sich zusammenreißen, nicht augenblicklich davon zu naschen.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte die Fotografin und löste damit einen Sturm von Ideen in Tinas Kopf aus. Keine davon war im Entferntesten jugendfrei.
Sie stand da mit offenem Mund. Sie schluckte. Das machte es nicht besser. Sie bekam kein Wort heraus. Nicht einmal ein gestammeltes.
Fotograf und Fotografin sahen sich schmunzelnd an. Kein unverschämtes Grinsen, es war eher ein wissendes Lächeln. Tina hatte nicht den Eindruck, dass ihr Verhalten die beiden entsetzte oder gar abstieß. Offenbar waren sie in ihrem Moralverständnis nicht annähernd so antiquiert wie sie vermutet hatte.
»Wir können Sie gerne auch gemeinsam fotografieren, wenn Sie wünschen.«
Da war keine Pause zwischen gemeinsam und fotografieren gewesen, nicht die kleinste. Dennoch war dieses Angebot nicht misszuverstehen.
Tina wurde rot. Wieder versuchte sie ein paar Worte hervorzubringen. Vergebliche Liebesmüh. Fluchtartig verließ sie den Laden.
Bevor die Tür hinter ihr zufiel, hörte sie Victorias »Die kommt wieder!« und die männliche Entgegnung: »Ich weiß. Sie kommen alle wieder.«
Die nächste Stunde schlich Tina durch die Kaufhäuser. Mit hellen Lichtern und schrillen Farben sollten die Kunden zum Kauf verführt werden. Zu Tina drangen sie jedoch nicht durch. Sie war in Gedanken immer noch in dem kleinen Fotoladen in dieser unscheinbaren Seitenstraße.
Solche Fotos würden Jens sicherlich gefallen. Und ihr würde das Fotografieren gefallen.
Sie schüttelte den Kopf. Nein, das war undenkbar. Seit sie mit Jens zusammen war, war sie nicht einmal im Traum mit einem anderen (oder einer anderen) intim geworden. Sie war vielleicht etwas wilder als die durchschnittliche Hausfrau (obwohl niemand wissen konnte, wie wild die durchschnittliche Hausfrau im Geheimen war), aber absolut treu. In dieser Hinsicht war sie altmodisch.
Nun, das würde sich heute Nacht definitiv ändern. Zumindest, was den Traum anging. Sie machte sich da keine Illusionen. Diese Nacht würde sie fotografiert werden, und wie sie fotografiert werden würde. Von Vicky und ihrem heißen Verlobten, von dem sie noch nicht einmal den Namen wusste.
Ein bisschen bedauerte sie, dass sie nicht verrückt
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