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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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Sport, weil sie nicht gern schwitzte. Sie schminkte sich kaum und trug weite Kleider. Sie färbte sich die Haare, aber nur mit einem stumpfen Mittelbraun, das ihrer normalen Haarfarbe entsprach, und sie versteckte es vor meinem Vater, als wäre es ihm, wenn er dahinterkäme, nicht mehr möglich, sie zu lieben. Ich wollte, dass sie war wie die Mütter mancher meiner Freundinnen, die Schmuck trugen und teure Klamotten. Sogar die fetten, würdevoll und stolz.
    »Gib ihr einen Flyer, Jess«, sagte mein Vater, während er mit dem Arm vor meinen Beinen hin und her fuchtelte. Er umfasste meinen Knöchel, und ich riss mich los.
    Die Frau humpelte auf ihrer Krücke herüber und griff sich den Schein.
    »Vergelts Gott«, sagte sie und stopfte ihn in die Hosentasche ihrer einbeinigen Jeans. Es erinnerte mich an die vielen Obdachlosen, die mir denselben Satz gesagt hatten, wenn ich ihnen nichts gegeben hatte, und wie scheußlich das klingen konnte. Von nahem sah sie ziemlich normal aus, bräunlich trockene Haut, aber hübsch.
    Mein Vater öffnete sein Fenster einen Spalt: »Gott kann jeden jederzeit retten«, sagte er. »In der letzten Stunde eines entsetzlich sündigen Lebens wurde der Dieb an seinem Kreuz von Christus errettet.« Sie zeigte ihm den Finger. Hinter uns wurde gehupt.
    »Los jetzt«, sagte meine Mutter.
    Mein Vater gab Gas, und der Wagen setzte sich mit einem Ruck in Bewegung. Mein Vater begriff negative Reaktionen als spirituellen Test. Sonst hätte er eine Frau, die er gar nicht kannte, nicht mit dem Dieb am Kreuz verglichen, er hätte sich nicht wie ein Arschloch benommen. Er folgte der Autoschlange, fädelte sich auf die Autobahn ein, und ich fragte mich, ob irgendjemand diese Frau vermisste, ob irgendwer wünschte, sie käme nach Hause. Ich wusste nicht, wie Leute überlebten, wenn es keinen gab, der sie vermisste.
    »Und er sprach zu Jesus: ›Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst!‹«, fuhr unser Vater fort. »Und Jesus sprach zu ihm: ›Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein.‹« Er wiederholte »Paradies«. Im Paradies würde er nicht mehr arbeiten und nicht mehr an Geld denken müssen. Im Paradies müsste er vor dem Essen kein Insulin mehr spritzen, seinen Bauchspeck nicht mehr zusammenquetschen und nicht mehr hineinstechen. Die Hälfte der Zeit unterließ er es sowieso, und wir erinnerten ihn auch nicht daran. Er hatte einen asiatischen Arzt, den er Woo nannte, der ihm andauernd Broschüren zu Diäten und zur Verbesserung seiner körperlichen Kondition mit nach Hause gab, was ihn ärgerte – mittlerweile aß er mehr Eiscreme und trank mehr Cola als je zuvor. Außerdem hatte er angefangen Alkohol zu trinken, was früher nie vorgekommen wäre. Darin schien sich eine schreckliche Veränderung auszudrücken: ein völliges Resignieren, eine Entfesselung der totalen Hölle. Zehn Minuten später dachte er noch immer an Elises Geldgeschenk an die Einbeinige. »Wie viel hast du ihr gegeben?«, fragte er.
    »Fünf«, sagte Elise. Sie blätterte eine Seite ihrer Zeitschrift um und betrachtete eine Frau, die in BH und Höschen auf dem Boden lag, ihre Rippen stachen krass hervor. Sie warb für Brillen, indem sie ein Buch las.
    »Das ist sehr viel Geld«, sagte er.
    »Sie braucht es dringender als wir, und das Schild war lustig.«
    »Es war überhaupt nicht lustig«, sagte ich, »es war traurig.«
    »Du hast keinen Humor.«
    »Doch, hab ich«, sagte ich, aber dann dachte ich darüber nach und kam drauf, dass mein Sinn für Humor wirklich nicht sehr ausgeprägt war. Mir mussten die Leute ihre Witze immer erst erklären, und wenn ich dann sagte, sie seien nicht lustig, sagten die Leute, klar seien sie jetzt nicht mehr lustig – man müsse sie auf Anhieb kapieren, sonst seien sie eben nicht lustig. Aber auch das verstand ich nicht, was sollte sie, auf Anhieb kapiert, lustiger machen.
    Ich sah die Meilen-Markierungen vorbeirauschen, und irgendwann griff ich mir eine von Elises Zeitschriften. Ich mochte sie, weil sie mit der Post kamen, Umschläge voll hochglänzender, farbenprächtiger Anzeigen, die nach Parfüm dufteten und einem verrieten, wie man alles mühelos bewältigt. Ich legte sie mir aufgeschlagen in den Schoß und schaute zum Fenster hinaus. Die Strecke auf der Interstate war langweilig, auch wenn sich die Typografie auf den Schildern von Staat zu Staat änderte und auch wenn es manchmal hügelig wurde und dann wieder flach. Ich hielt Ausschau nach Starbucks- und

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