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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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gar nicht fotografiert werden.«
    »Wie bitte?«
    »Du solltest immer erst fragen.«
    »Das hier ist kein Dritte-Welt-Land, und sie ist nicht nackt und mit Fliegen bedeckt.«
    »Du solltest fragen.«
    »Lass mich in Ruhe.« Ich sah unsere Eltern um eine Ecke verschwinden, und wir rannten ihnen hinterher.
    »Was hast du gekauft?«, fragte ich meine Mutter.
    »Was soll das?«, sagte unser Vater. Er hatte schon wieder einen frischen, heißen Schmalzkuchen in der Hand. Puderzucker verkrustete seine Mundwinkel. Elise erzählte ihm von der Frau, die wir getroffen hatten, eine traurige Frau, der wir Mut gemacht hatten, indem wir uns die Gesichter hatten anmalen lassen.
    »War sie schon errettet?«, fragte er.
    »Ja«, sagte ich. »Ich hab ihr trotzdem einen Flyer gegeben.«
    Meine Mutter zeigte mir, was sie erstanden hatte – zwei Seifenschalen und ein zierliches, goldenes Armband. Bei einem überdachten Pavillon, in dem eine Menge Bänke rumstanden, hielt mein Vater an. Er setzte sich auf eine und ich mich schräg gegenüber. Meine Mutter und Elise liefen weiter.
    Auf der Bühne baute eine Band auf, eine mexikanische in mexikanischen Kostümen. Ich schaute auf mein Hemd, spürte die Farbe auf meinem Gesicht. Auch ich war verkleidet.
    Nach einer Weile fragte mein Vater: »Und, wie geht’s so?«
    »Gut«, sagte ich und schaute verstohlen auf seinen Kuchen.
    »Hast du Spaß?«
    »Klar, ich amüsier mich prima.« In der Schule hatte ich eine Freundin, eigentlich eher eine Bekannte, die immer alle fragte, wie sie sich fühlten. Andauernd fragte sie, wie man sich fühlte, nur weil irgendwer sie als »einfühlsame Freundin« bezeichnet hatte. Ich sagte immer, mir gehe es gut. Und wenn ich nun sagte, mir gehe es gar nicht gut? Wenn sie mich das nächste Mal fragen würde, würde ich sagen, dass es mir schlecht ging, sehr schlecht. Und dann mal sehen.
    Die Band begann mit einem traditionellen mexikanischen Lied, so ein ununterscheidbares, das wie alle anderen klang, außer vielleicht für mexikanische Ohren. Vielleicht war das wie bei den Gesichtern einer anderen Rasse – man hält sie schwer auseinander. Ich war gespannt, ob sie »La Bamba« spielen würden, falls ja, spielten sie es wahrscheinlich nur für Weiße. Kaum hatte ich das gedacht, wollte ich es unbedingt hören.
    »Ich brauche ein Foto von dir in dieser Aufmachung«, sagte mein Vater.
    Ich holte mein Handy raus, tippte auf Kamera. »Einfach hier drücken«, sagte ich und reichte sie über den Tisch. Auf seiner Hand sah ich die Ziffer 2 über der verblassten gestrigen 3. Er machte ein Foto, schüttelte sanft den Kopf und lächelte. Mein Gefühl sagte mir, dass er einen freundlichen, liebevollen Vater imitierte.
    »Hast du Hunger?«, fragte er.
    »Nein, ich hab alles«, sagte ich. Er gab sich solche Mühe, und ich wollte ihm etwas geben, konnte aber nicht. Ich fühlte mich einfach unfähig dazu.
    »Deine Mutter macht sich Sorgen um dich.«
    »Warum?«, fragte ich.
    »Du warst die letzten Tage verdammt still.«
    »Mir geht’s gut«, sagte ich. »Wir waren alle ziemlich still.«
    »Elise nicht.«
    »Die weiß doch gar nicht, was das ist, still sein«, sagte ich.
    Ich versicherte ihm, alles sei bestens, während die Band die ersten paar Noten von »La Bamba« anschlug.
    Was wollte er denn von mir hören? Er stellte immer diese großen Fragen, Fragen, die ich nie und nimmer beantworten konnte.
    »Geh bitte und sag ihnen, dass wir fertig sind«, sagte er, während er seine Hände an einer schon zerknüllten Serviette abwischte.
    Ich ging. Meine Mutter hatte die Hände voller Taschen – sie hatte noch mehr Sachen eingekauft. Ich nahm sie ihr ab, und am Auto trafen wir meinen Vater.
    ***
    Wir fuhren Hunderte von Meilen, und es gab nichts zu sehen, außer ein paar eher niedrigen, zerklüfteten Bergen in der Ferne. Lange schienen sie überhaupt nicht näher zu kommen, doch dann schaute ich einmal kurz auf, und genau in dem Moment fuhren wir zwischen glatten Felsen hindurch.
    »Haben wir eine Karte von Alabama?«, fragte Elise.
    Mein Vater zog einen Stoß Karten aus dem Türfach, sah ihn flüchtig durch, während er mit einer Hand das Lenkrad hin und her drehte, wie einer, der für eine Filmaufnahme fährt. Unsere Mutter streckte die Hand aus, um das Lenkrad zu halten, doch er schubste sie weg.
    Er fand die Karte und reichte sie nach hinten, und Elise suchte nach den Höhenangaben unserer Berge in Alabama, damit wir sie mit denen in Texas vergleichen konnten, aber sie waren

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