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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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Nummer.
    Sie strich sich übers Haar, als wolle sie sich daran erinnern, wie schön sie war. Alles war bestens, denn sie war schön.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass er nicht in der Patsche sitzt, sagte ich, kratzte mich in meinem Tigergesicht und hatte sofort gelbe Farbe unter den Nägeln. »In welchen See?«
    »Ich weiß nicht, in welchen See«, sagte sie, hörte auf zu tippen und warf mir einen bösen Blick zu.
    Die nächste halbe Stunde waren die beiden damit beschäftigt, sich Botschaften hin und her zu senden. Ich hätte auch gern irgendjemanden angesimst, doch niemand rechnete damit, von mir zu hören. Meine Freunde kannte ich hauptsächlich aus der Schule und der Kirche. Weder spielten wir einander in den Haaren herum noch verrieten wir uns unsere größten Geheimnisse. So hatte ich mir, als ich jünger war, Freundschaften nicht vorgestellt – ich dachte, man würde zusammen im selben Bett schlafen, Klamotten kaufen. Ich dachte, wir würden uns alles erzählen. Ich wusste, es war meine eigene Schuld. Kaum streifte einer beim Reden meinen Arm oder mein Bein, zuckte ich zusammen. Es war mir schleierhaft, wie ich etwas so unbedingt wollen und gleichzeitig so effektiv verhindern konnte.
    In Valentine musste mein Vater anhalten, denn wir bestanden darauf, eine Kleinigkeit zu essen.
    Ich ging zur Toilette und schaute in den Spiegel – mein Tiger war total verschmiert und teilweise sah man meine Haut durchschimmern. Ich wusch alles ab, doch die Farbe hinterließ einen klebrigen, gelblichen Film.
    Ich kaufte ein Päckchen Gummibärchen – 250 Kalorien, fettfrei – und Elise kaufte eine Tüte Popcorn, eine riesige Gurke und eine Sprite. Sie trank nie Sprite, weil es jede Menge Kalorien hatte, und ich deutete es als Zeichen dafür, dass sie allmählich an das Kind zu denken begann.
    »Ein bisschen alt für ein bemaltes Gesicht, oder?«, sagte der Mann hinterm Tresen zu Elise.
    »Ich geh an Halloween auch noch von Tür zu Tür«, sagte sie.
    Ich erinnerte mich an Elises Halloweenkostüme: sie machte sich immer so was Nuttiges, Totes, genau wie ihre Freunde. Für dieses tote, nuttige Etwas kam sie mir eigentlich viel zu cool vor – war sie aber gar nicht.
    Zurück im Wagen, aß ich zuerst alle roten Gummibärchen, dann die orangenen und gelben, dann die weißen und grünen. Ich stupste meine Mutter an und ließ die leere Verpackung in ihren Schoß fallen; sie öffnete die Augen und drehte sich zu mir. »Hast du Kopfweh?«, fragte ich. Sie nannte es gern Cluster-Kopfschmerz, weil das schlimmer klang. Sie sagte, es sei richtig massiv und von den Leuten, die daran litten, brächten sich über zwanzig Prozent um.
    »Ich mach mich mal lang«, sagte sie. »Ich hab letzte Nacht nicht gut geschlafen.«
    »Ich auch nicht.«
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich liebe dich, Jess.«
    »Ich liebe dich auch, Mom«, sagte ich.
    ***
    Normalerweise fuhren wir höchstens bis vier Uhr, aber unser Vater fuhr über vier hinaus, dann über fünf. Wir waren schon ganz hippelig, zählten die Meilen zwischen den Städten, die so schnell kamen und gingen. Schließlich fuhr mein Vater an einer Raststätte ab.
    Wir stiegen aus, streckten uns und sahen uns um. Alle Automaten waren durch Gitterstäbe geschützt.
    »Hier sind nicht mal die Automaten sicher«, sagte ich, doch keiner lachte. Die Raststätte war eigentlich ganz nett – der Rasen war frisch gemäht, es gab einen Brunnen. Die Leute führten ihre Hunde aus.
    Meine Mutter, Elise und ich gingen zur Toilette.
    »Männer machen auf Raststättentoiletten Sex«, sagte Elise. »Ich hab einen Artikel darüber gelesen.«
    »Du füllst deinen Kopf ständig mit Müll«, sagte unsere Mutter. »Wer seinen Kopf mit Müll füllt, der denkt auch entsprechend.«
    »Du meinst, wenn du deinen Kopf mit Müll füllst, bist du Müll«, sagte ich. Ich war in der Mittelkabine, sah links und rechts auf ihre Füße.
    »Nein, das meine ich nicht«, sagte meine Mutter.
    »Doch, genau das meinst du«, sagte Elise. »Du hältst uns für Müll.«
    »Zieh mich nicht mit rein«, sagte ich. »Ich bin kein Müll.«
    Das verletzte die Gefühle unserer Mutter, sie sagte, andauernd unterstellten wir ihr etwas und drehten ihr die Worte im Mund herum.
    Elise und ich kauften am Automaten Cola, und dann setzten wir uns an den Rand eines Brunnens, tappten mit unseren Flip-Flops sacht auf die Wasseroberfläche. Zuerst tappte sie, machte Ringe, und dann ich. Als wir keine Lust mehr hatten, dachten wir uns Wünsche aus. Zuerst

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