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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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warfen wir unsere Pennys, einen nach dem andern, dann unsere Nickel, Dimes und Quarter.
    »Gleich sind wir in Van Horn«, sagte unser Vater, der hinter uns auftauchte. »Da bleiben wir dann.«
    »Klingt wie ein guter Ort«, sagte ich, um etwas zu sagen. Vieles von dem, was er sagte, verlangte nicht nach einer Antwort, doch wenn keiner was sagte, blieben seine Wörter in der Luft hängen. Er gab uns das Kleingeld aus seinen Taschen, und wir warfen es auch noch hinein. Nach einer Weile merkte ich, dass ich gar nichts mehr wünschte, nur noch warf.
    ***
    Van Horn, Texas, war ein winziger Fleck auf der Karte. Unser Vater fuhr uns zum beschissensten Motel unserer bisherigen Reise. Ein einziges raumgreifendes Erdgeschoss, in Krankenhausblau- und -grüntönen.
    »Mit dieser Familie geht’s nur noch bergab«, sagte Elise. Das hörte sich seltsam an, und wir lachten.
    »Wir müssen sparen«, sagte unser Vater. »Wie wär’s mit einem eigenen Zimmer? Wie klingt das?«
    »Das wäre toll«, sagte Elise.
    »Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist«, sagte unsere Mutter.
    »Auf jeden Fall!«, sagte Elise. »Ich werde Jess nicht aus den Augen lassen.«
    Unser Vater stieg aus dem Wagen, er sah völlig zerstört aus, und ich bekam wieder dieses bedrückende Gefühl, als gerate mein ganzer Körper in Wallung, doch dann verschwand es wieder, und ich war nur genervt und schwitzte.
    Während wir unser Gepäck aus dem Kofferraum holten, fuhr ein Typ auf einem Fahrrad in weiten Kreisen um uns herum. Seine langen Hosen waren gerade so kurz, dass man seine spillerigen braunen Waden sah. Sein eines Auge hatte eine weißverwaschene Iris – grauenerregend. Er klingelte, kippte dabei fast aus dem Gleichgewicht, und mein Vater zog einen Flyer aus dem Kofferraum. Wahrscheinlich hatten wir Tausende dabei, versteckt in jedem Winkel unseres Autos.
    »Hey«, rief er und wedelte damit herum. Der Mann sah verängstigt aus und weitete seine Kreise aus, dann radelte er davon.
    »Wetten, dieser Ort ist voller Nutten«, sagte Elise.
    »Ich sehe keine Nutten«, sagte unsere Mutter.
    »Ja, weil sie alle fleißig sind.«
    Mein Vater drückte mir ein paar Flyer in die Hand. Dann holte er die Kühlbox, zog den Stöpsel raus, um das Wasser abzulassen.
    »Ich hab das Gefühl, ich hätte ewig keine Flyer mehr verteilt«, sagte ich.
    »Du sprichst nur für dich«, sagte mein Vater. »Ich habe gestern Dutzende verteilt.«
    »An gestern erinnere ich mich nicht mehr«, sagte ich. »Ich verliere mein Zeitgefühl – was haben wir heute?«
    »Donnerstag«, sagte Elise. Unser Vater überreichte uns unsere Schlüssel und sagte, er liebe uns, und wir sagten, wir liebten ihn auch. Dann küssten wir unsere Mutter und sagten ihr, dass wir sie liebten.
    Auf dem Weg steckte ich Flyer unter die Scheibenwischer.
    »Die Leute werden dich hassen«, sagte Elise.
    »Irgendeiner liest es vielleicht«, sagte ich.
    »Keiner liest es, sie werden sich nur ärgern.«
    Ich führte meine Schlüsselkarte ein, und das Licht blinkte rot. Ich versuchte es noch einmal, dasselbe Ergebnis.
    »So wird das nichts – es gibt eine Technik. Sehr langsam rein, eine Sekunde drinlassen, dann rausziehen.« Sie zwinkerte mir zu und öffnete die Tür. Wir legten Schlüssel und Handtaschen auf den Tisch.
    »An Orten wie diesem bringen die Leute sich um«, sagte sie, und ich dachte an unsere gesund aussehende Cousine – sie hatte sich nicht selbst umgebracht, sie war ermordet worden. Das kam mir völlig unmöglich vor. In allen Filmen und Videos, die ich von ihr kannte, hatte sie so normal ausgesehen, ein Mädchen wie jedes andere, wie ich, nur hübscher.
    »Vielleicht haben wir kein Geld mehr«, sagte ich.
    »Ja, aber wir haben Kreditkarten, und die sind dafür da, dass wir nicht in Motels mit Fahrraddieben und Nutten absteigen müssen«, sagte sie. »Ich glaube, er will uns was beibringen. Aber was eigentlich?«
    »Vielleicht sind sie total am Ende«, sagte ich und wickelte das dünne Stück Seife aus.
    »Die ist benutzt«, sagte sie.
    »Oder fast total am Ende.« Ich hielt mir die Seife an die Nase – sie roch würzig. Ich wusch mir noch mal das Gesicht, versuchte, den Gelbstich wegzukriegen. Dann setzte ich mich aufs Bett und sah Elise zu, wie sie sich die Augenbrauen zupfte. Sie sagte, ich müsse meine allmählich auch zupfen, sie schössen ins Kraut.
    »Wäschst du dir das Zeugs nicht aus dem Gesicht?«, fragte ich und pulte in meinem Ohr herum. Ich kratzte etwas heraus, das sich anfühlte wie

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