Süßer König Jesus (German Edition)
nicht«, sagte ich.
»Aber vielleicht war der gar nicht 27, ich bin nicht sicher. Kennst du ›Blind Melon‹? Du kennst doch ›Blind Melon‹, oder?«
»Nein.«
»Dieser Song über den Regen, der mit der Biene? Wie geht er noch mal?«
»Kenn ich nicht!«, sagte ich. Ich beobachtete einen Vater, der seinem Sohn schwimmen beibrachte.
»Machen wir’s noch einmal«, sagte der Vater immer wieder, und der Junge probierte es – er war müde, der Bauch tat ihm weh und er fing an zu heulen. Ich schaute zu dem Tisch mit den Jungs hinüber, ein Blonder fiel mir auf. Zwischen uns stellte sich eine Art Verbindung her. Und dann ließen der Blonde und sein Freund ihre Stühle Stühle sein und kamen zu uns rüber.
Elise lüpfte ihre Sonnenbrille und sagte mit übertriebenem Akzent: »Hey, ihr beiden.«
»Ihr seid wohl nicht von hier«, sagte der Blonde.
»Stimmt«, sagte sie.
»Aus Montgomery«, sagte ich. »Alabama. Aber so reden wir nicht wirklich.« Ich lächelte. Und er lächelte. Es wirkte irgendwie schief. Ein Lächeln, bei dem die Augen verschwanden. Anders als die meisten, war er attraktiver, wenn er nicht lächelte. Sie stellten sich als Erik und Gabe vor und sagten, sie hätten eine Kühlbox voller Bier, falls wir uns zu ihnen setzen wollten.
»Vielleicht ein bisschen später«, sagte Elise, sie redete wieder normal.
»Danke«, sagte ich.
Sie kehrten an ihren Tisch zurück, der Dritte in der Runde lachte und warf eine leere Bierdose nach ihnen.
»Wir müssen da nicht rüber«, sagte Elise. »Das sind ganz klar Arschlöcher.«
»Ich fand den Blonden irgendwie ganz nett.«
»Hör doch nur mal«, sagte sie.
Die Jungs lachten. Es klang, als lachten sie über gar nichts. Egal, wie smart Jungs waren, irgendwie wirkten sie immer ein bisschen bescheuert.
»Wir haben doch sonst nichts vor, und der Blonde ist süß.«
»Okay«, sagte sie. »Aber bitte nicht trinken.«
»Weiß ich.«
»Vom Trinken wirst du auch nicht cooler.«
»Ist das jetzt eine öffentliche Bekanntmachung?«
»Lustig«, sagte sie, »öffentliche Bekanntmachung.«
Ich stand auf, schlüpfte in mein Kleid. »Hast nicht du mir gestern Abend reinen Whiskey eingeflößt?«, fragte ich.
»Es war Eis drin.« Sie blieb liegen, ihre Rippen und Hüftknochen stachen hervor, und mittendrin, fein säuberlich verborgen, das Kind. Ich konnte einfach nicht aufhören, dran zu denken – keiner wusste es, keiner sah es. Hätte ich die Schachtel nicht gefunden – hätte sie mich die Schachtel nicht finden lassen –, wäre auch ich ahnungslos.
Sie wartete einen Moment, dann folgte sie mir zu dem Tisch mit den Jungs.
»Hey, Mädchen«, sagte Gabe, der Blonde. Sein Haar war extrem blond, fast weiß, seine Brust glatt und muskulös. In meiner Klasse waren die beliebten Jungs mager; es war nicht cool, ins Studio zu gehen. Es war nicht cool, so zu wirken, als versuchte man, was Bestimmtes zu verkörpern.
Der Junge, den wir noch nicht kannten, stellte sich als Charlie vor und stand auf, um noch einen Stuhl zu holen, während Erik Bier austeilte. Es war eiskalt, und alle sahen verdammt gut aus, und ich kam mir vor wie in der Werbung. Ich tat, als fesselten mich Vater und Sohn.
Der Vater schwamm seine Runden, der Kleine saß auf einer Stufe. Ich fragte mich, ob seine Mutter in einem der Zimmer wartete, doch wahrscheinlich waren seine Eltern geschieden, und der Mann hatte seinen Sohn jeden Sommer nur für ein paar Wochen. Und um alles gerecht zu handhaben, fuhren seine beiden Eltern genau gleich weit, um sich in der Mitte zu treffen, die ausgerechnet auf diese beschissene Kleinstadt in West-Texas fiel. Hier wurde der Junge dann jeweils übergeben. Das würde auch erklären, warum sie so lustlos miteinander umgingen.
Elise nahm sich aus einem der Päckchen auf dem Tisch eine Marlboro und zündete sie, noch ehe einer der Jungs sein Zippo zur Hand hatte, mit ihrem Flitter-Glitter-Feuerzeug an. Ich berührte mit der Fingerkuppe eine winzige Blüte zwischen den Zigarettenschachteln. Sie blieb kleben, und ich überlegte, ob ich mir etwas wünschen sollte, aber ich hatte mir in letzter Zeit so vieles gewünscht, und mir fielen immer nur dieselben, unscharfen Wünsche ein. Ich müsste endlich anfangen, konkreter zu sein. Gabe, dachte ich, und verwarf den Gedanken sofort wieder. Ich will Gabe.
»Warum seid ihr zwei hier?«, fragte Charlie.
»Wir sind nach Kalifornien unterwegs, um dort die Zweite Wiederkunft unseres Erretters, Herrn Jesus Christus in der Pazifischen
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