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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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Zeitzone zu bezeugen«, sagte Elise. Sie sagte, wir seien die Auserwählten und dass sie, die Jungs, schreckliche Feuersbrünste und Erdbeben zu durchleiden hätten und dass die Erde dann zum absoluten Nichts explodieren werde.
    »Stopp«, sagte ich.
    »Was ist?«
    »Du machst uns lächerlich.«
    »Ich mache uns nicht lächerlich«, sagte sie. »Wenn überhaupt, mache ich sie lächerlich.«
    »Aber wir sind auch dabei.«
    »Wir sind Kinder«, sagte sie. »Wir können nicht anders, als uns idiotisch zu benehmen.«
    »Dir gelingt es jedenfalls hervorragend«, sagte ich.
    Sie verdrehte die Augen und blies Rauch an meinem Gesicht vorbei.
    »Sie glaubt dran«, sagte Erik, und die Jungs schauten mich mit müdem Lächeln an.
    »Ich weiß nicht, ob ich glaube oder nicht«, sagte ich. »Vielleicht bin ich ja Agnostikerin.« Das klang gut. Ich nahm einen Schluck Bier, das, weil es kalt war, eine Spur weniger scheußlich schmeckte als sonst. Wie Elise saß auch ich völlig empfindungslos in der Kirche. Ich lernte Bibelverse auswendig wie in der Schule die Gedichte von Robert Frost. Allerdings wollte ich glauben. Ich wollte glauben, koste es, was es wolle. Sollte die Entrückung tatsächlich stattfinden, hoffte ich, dass der Glaube unserer Eltern ausreichen würde, um uns alle in den Himmel zu befördern, wie bei Noah, dessen Familie gerettet wurde, weil er ein guter Mensch war.
    Charlie machte noch eine Dose Bier auf, die leere legte er zu den leeren auf den Haufen. »Jede Sekte hat doch ihre eigene Eschatologie«, sagte er.
    »Ihre eigene was?«, fragte ich.
    Er nahm seine Sonnenbrille ab, damit wir seine Augen sähen. »Die Frage ist, wie wir mit dem Tod umgehen«, sagte er. »Wir wollen, dass die Welt untergeht, wenn wir untergehen – das liegt in der Natur des Menschen.«
    »Hey, Mädchen«, sagte Gabe, »willst du noch eins?«
    »Halt eins kühl«, sagte ich, obwohl meine Dose noch halbvoll war. Es gefiel mir, dass er Mädchen zu mir sagte, als gebe es zu viele Mädchen, an die er sich erinnern müsste, als nähmen die Mädchennamen in seinem Kopf zu viel Platz ein. Falls er mich mochte, könnte aus mir vielleicht hübsches Mädchen werden oder sogar mein Mädchen . Aber um an diesen Punkt zu gelangen, müssten wir auf Schnellvorlauf drücken, schnell vorbei an diesem Kennenlern-Quatsch und dann so tun, als würden wir einander bereits kennen. Die Menschen ähneln sich sowieso alle.
    Ich beobachtete Gabe aus den Augenwinkeln, seinen unablässig bewegten Körper, mal wippte der Knöchel auf dem Knie, mal hob seine Hand die Dose zum Mund. Ich wollte seinen Körper auf meinem spüren, wie er sich bewegte. Bevor wir losgefahren waren, hatten Elise und ich auf Netflix einen Dokufilm über Religionen gesehen, in dem sich alle Mädchen die Entrückung sehnlichst herbeiwünschten, doch noch lieber, sagten sie, wäre ihnen, sie fände erst dann statt, wenn sie Ehemänner hätten. Sie sagten nicht Sex . Sie sagen Heiraten und Ehemann . Sie sagten, ihre Eltern hätten heiraten und Kinder bekommen dürfen, und sie wünschten sich diese Möglichkeit eben auch für sich.
    »Er sollte den Kleinen nach Hause bringen«, sagte Gabe.
    »Ja, oder?«
    »Ich habe erst mit vierzehn schwimmen gelernt«, sagte er.
    »Ach ja?« Ich nahm einen größeren Schluck als beabsichtigt, und das Bier sammelte sich hinten in meinem Rachen, bevor ich mich überwinden konnte und es runterwürgte.
    »Mein Vater starb bei einem Bootsunfall, als ich zwei war, und danach hatte meine Mutter Angst vor Wasser. Sie glaubte, ich ertrinke, sobald ich auch nur in die Nähe von Wasser kam.« Aus dieser Geschichte schloss ich, dass er mich lieben könnte. Er war nicht nur ein süßer Junge – er hatte auch Probleme.
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    Er zuckte mit den Schultern und sagte, es sei okay. »Kannst du schwimmen?«
    »Ich war jahrelang im Schwimmteam des Country Clubs«, sagte ich. Tatsächlich waren es nur zwei Jahre gewesen, danach hatte mein Großvater unsere Beiträge nicht mehr gezahlt, und wir konnten es uns nicht mehr leisten.
    »Country Club«, sagte er. »Schick.«
    »Nicht wirklich. Es war der Country Club für Senioren. Meine Großeltern haben dort Golf gespielt, und jeden Sonntagabend mussten wir dort mit ihnen essen.«
    »Bist du gut?«
    »Nein. Ich hab immer nur die rosa und violetten Schleifen gekriegt.«
    »Ich wusste gar nicht, dass es die gibt.«
    »In der Mannschaft war ich ein bisschen besser. Ich hab mir Mühe gegeben, wollte keinen

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