Süßer König Jesus (German Edition)
Vegas fahren, um in Paris zu sein? Wer nach Paris will, soll nach Paris fahren.
Elise ging auf und ab, als wate sie durch Mist. »Los, ziehen wir uns aus und springen rein.«
Ich zog die Vorhänge auf. Unser Zimmer lag zu einer Garage hin, die ein gespenstisches blaues Licht abgab. »Guck dir mal diesen Blick an.«
»Weißt du, was der grusligste aller Töne ist? Ein Mann, der in einem Parkhaus pfeift«, sagte sie.
»Die pfeifen ja auch nie eine bestimmte Melodie, immer nur dieses völlig beliebige Gedudel. Die pfeifen, damit die Leute Angst kriegen – die wissen, das ist jedem unheimlich.«
Ich nahm das Handy und rief unsere Eltern an. Beim vierten Läuten nahm unsere Mutter ab. Ich fragte, ob sie auch einen Whirlpool direkt neben dem Bett stehen hätten, und sie sagte ja, hätten sie. Ich fragte, ob sie aufs Parkhaus schauten, und sie sagte, sie schauten auf den Pool, und dann sagte sie, wir sollten um halb sieben zum Abendessen runterkommen, und hängte auf.
Elise stieg ins Bett und testete die Kissen, sie wollte wissen, wie hoch sie waren, ob sie mit einem steifen Nacken rechnen müsste. Dann lief sie ins Bad und pinkelte bei offener Tür.
»Es gibt einen Fernseher!«, rief sie. »Sieht aus, als sei er von 1989.«
»Schon gesehen.«
Wir hatten keine Ahnung von 1989, aber wir bezogen uns ständig darauf. Es stand für all die Filme, die wir liebten. Für eine Zeit, in der der Kapitän der Fußballmannschaft sich tatsächlich noch in das unscheinbare, rothaarige Mädchen verlieben konnte, für eine Zeit, in der man uns so was verklickern konnte. Ich stieg ins Bett, und Elise redete weiter aus dem Badezimmer mit mir: Vielleicht müssten wir ja morgen gar nicht weiter, sondern könnten einfach hier bleiben. Und was, wenn die Entrückung stattfände, und wir im Fernseher zusehen könnten? Wäre das nicht erstaunlich? Es gebe Aveda-Produkte! Sie liebe Aveda-Produkte!
Ich stieg aus dem Bett und drehte den Wannenhahn auf. Der Druck war miserabel, es würde ewig dauern, bis die Wanne voll wäre. Ich drehte den Hahn immer weiter auf, aber es kam nicht mehr Wasser. Wir könnten jetzt eine Stunde runter an den Pool, und wenn wir wiederkämen, wäre sie immer noch nicht ganz voll.
»Ich geh mal Eis holen«, sagte sie und presste den Eimer an ihren Bauch.
»Okay, Dad.«
***
»Komm mal«, sagte Elise und stellte den Eimer auf den Tisch.
»Was?«
»Komm einfach.«
Ich folgte ihr in das dem unseren schräg gegenüberliegende Zimmer, in dem eine fette Dame ausgestreckt auf einem King-size-Bett lag, ihr violettes Kleid war wie ein Tischdecke zwischen ihre Beine drapiert. An einer Wand standen übereinander vier Käfige mit je zwei Vögeln drin. Einige in Weiß, andere ein einem hübschen Blassrosa.
»Trauertauben«, sagte Elise.
Erfreut über unseren Besuch, setzte die Frau sich auf. »Hey, Schätzchen«, sagte sie. »Kommt rein, macht’s euch bequem.« Sie war wirklich massig, wunderbar unmäßig, nur ihr Gesicht merkwürdig schmal. »Nehmt ein wenig Käse und Früchte, wenn ihr mögt. Wir wollten grade eine Kleinigkeit zu uns nehmen.«
»Wie haben Sie denn die Vögel hier hochgekriegt?«, fragte Elise.
»Ich gebe Trinkgeld«, sagte die Frau. »Wenn ich in ein Hotel gehe, hab ich immer ’ne Menge kleiner Scheine bei mir. Gib den Leuten eine Handvoll, und es ist ihnen völlig egal, dass es alles Einer sind.«
Die Klospülung ging, und aus dem Bad kam ein Mann. Er war fett, aber nicht unmäßig, nur normal fett mit einem stoppeligen Bart.
»Das ist mein Sohn, Luke«, sagte die Frau und zündete sich eine Zigarette an. »Luke und ich reisen überall zusammen hin, stimmt’s?« Sie lehnte sich übers Bett und griff einen Aschenbecher, stellte ihn auf ihrem Bauch ab. Ich konnte nicht wegschauen von ihr. Sie war wie ein Magnet, auf eine merkwürdige Art schön, mit langem rotblondem Haar. Ich stellte sie mir im Schönheitssalon vor, wie sie Strähnchen kriegte und mit den Leuten redete und lachte.
Luke stand da, die Füße schulterbreit auseinander, beobachtete uns und kratzte sich am Bart.
»In jedem ist ein Männchen und ein Weibchen«, sagte Elise und ging, um in die Käfige hineinzuschauen, in die Hocke. Ich kniete mich neben sie.
»Wusstet ihr, dass Trauertauben monogam sind?«, fragte die Frau und wedelte mit ihrer Zigarette durch die Luft. »Sie bleiben ein Leben lang zusammen.«
»Ich liebe monogame Tiere«, sagte Elise.
Luke lachte, und meine Schwester drehte sich ruckartig zu ihm um, so dass ihr
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