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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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zurück, wendete und drehte Runden.
    Es erinnerte mich an diese Szene im Film National Lampoon’s Vacation , in der Chevy Chase und seine Familie in Walley World ankommen. Auf dem Platz befindet sich kein einziges Auto, aber sie parken in der hintersten Ecke, und Chevy Chase wiederholt andauernd: »Wir sind die Ersten hier!«
    ***
    In der Lobby hinter der Rezeption ragte eine Wand aus Wasser empor. Und ein paar Schritte weiter lag der Kasino-Saal, aus dem klingelnde Glöckchen- und Pfeiftöne herüberwehten. Wir liefen an einem Coffee-Shop und einer Eisdiele vorbei, an Läden, in denen Traumfänger verkauft wurden und Türkis-Schmuck, Quilt-Taschen in Paisley-Druck. Wir kamen an einem mexikanischen Restaurant vorüber und an einer Drogerie. Ich dachte daran, eine Postkarte zu kaufen und sie an Gabe zu schicken – dabei fiel mir auf, dass ich noch nie in meinem Leben eine Postkarte gekauft hatte. Ich war einfach noch nie weit genug von zu Hause weg gewesen. Man verschickte keine Postkarten aus dem Nachbarstaat.
    Ein Mann hielt den Lift für uns, und wir schafften es gerade noch. Seine Frau war bei ihm, aber er starrte unverhohlen Elise an, und zum ersten Mal in meinem Leben war ich froh, die unattraktive Schwester zu sein. Wer will schon ständig von alten hässlichen Männern angestarrt werden? Ihr zuliebe wollte ich ihn töten, ich wollte sie alle töten, damit Elise ihr Leben in Frieden leben könnte.
    Im 6. Stock stiegen unsere Eltern aus, der Mann und seine Frau folgten ihnen.
    »Wir sind in 610«, sagte unsere Mutter, und schon schlossen sich die Türen.
    »Mama fühlt sich genauso miserabel wie wir«, sagte ich, obwohl ich mich überhaupt nicht unglücklich fühlte. Ich freute mich sogar, war einigermaßen begeistert. Ein eigenes Zimmer in einem hübschen Hotel mit Pool und Zimmerservice. Und ich hatte genug Geld, um, wenn ich wollte, einen Traumfänger zu kaufen.
    »Katholiken stehen nicht auf so was.«
    »Onkel Albert schon«, sagte ich.
    »Onkel Albert, der zählt nicht – würde er keinen Weltuntergangs-Bunker bauen, würde er sein ganzes Geld in den Irakischen Dinar investieren oder in irgendein anderes Projekt. Weißt du nicht mehr, wie er einmal versucht hat, Dad zu überreden, in diesen schwarzen Wohnungskomplex zu investieren?«
    »Nein«, sagte ich. »Wann war das?«
    »Vor ein paar Jahren. Es war eine baufällige Bruchbude.«
    »Mir sagt ja keiner was.«
    »Mama erzählt mir alles Mögliche, was ich gar nicht wissen will«, sagte sie. »Du kannst dich also glücklich schätzen.«
    »Wann?«
    »Nachts, wenn ihr alle schlafen geht, schauen wir The Young and the Restless , und sie erzählt mir so ziemlich alles. Es ist schrecklich.«
    »Du könntest ja auch auf dein Zimmer gehen und lesen, wie ich.«
    Wir bogen um die Ecke, liefen ein Stück, bogen um eine weitere Ecke, und ich wusste, es würde schwierig werden, den Weg zum Lift zurück zu finden. Eine Putzfrau streckte den Kopf aus einem Zimmer, und wir sagten Hallo. Sie war Ausländerin, aber ihr Hallo hatte sie perfektioniert. Ich suchte auf ihrem Wagen nach Seife und Shampoo, aber das bessere Zeug hatte sie irgendwo versteckt.
    Als wir bei unserem Zimmer ankamen, öffnete eine winzige, streng wirkende Frau die gegenüberliegende Tür und stellte ein Zimmerservice-Tablett ab. Sie sah mich ohne jeden Ausdruck an. Ihr Gesicht war straff und glatt; es erinnerte mich an einen Stein.
    »Schönen Nachmittag«, sagte ich, obwohl mir nach »Guten Morgen« war.
    Sie gab einen summenden Ton von sich und schloss die Tür.
    »Echt freundliche Gegend hier«, sagte ich laut.
    Elise öffnete mit der Schlüsselkarte. Unser Zimmer roch nach Teppichreiniger, nannte sich wahrscheinlich Bergfrische oder Meeresbrise. Wir standen da mit unseren Taschen, schauten auf den riesigen Whirlpool neben dem Kingsize-Bett.
    »Was ist das denn?«, sagte Elise. Sie kletterte mit Schuhen in die Wanne, während ich ins Badezimmer ging. Eine Dusche, zwei Waschbecken und ein kleiner Fernseher, alles cool und in Weiß. Ich wollte meine nackten Fußsohlen auf den Fliesen spüren.
    Ich wusch mir die Hände, ging umher, untersuchte alles. Zog die Schubladen auf und öffnete die Schränke, schlug die Tagesdecke auf dem Bett zurück. Über dem Kopfende hing ein Gemälde: zwei leere Stühle an einem Strand. Das Bild bedrückte mich – ich mochte es nicht, wenn ein Ort so tat, als sei er ein anderer. Wären die Leute lieber an diesem anderen Ort, wären sie doch hingereist. Wieso nach Las

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