Süßer Tod
ein Jogger mit iPod nickte ihnen gedankenverloren zu, während er auf der anderen Straßenseite dahinschnaufte. Ansonsten erweckten sie keine Aufmerksamkeit.
Als sie beim Haus des Attorney General angekommen waren, bogen sie ein und gingen die Zufahrt hinauf, so als würden sie ihn jeden Morgen besuchen. Britt hatte einige Einwände vorgebracht, als Raley seinen Plan umrissen hatte.
»Vielleicht hat er Wachleute«, hatte sie gesagt.
»Vielleicht. Falls ja, werden wir einen mittleren Aufruhr verursachen. Die Presse würde sich darauf stürzen. Aber selbst wenn wir in Handschellen abgeführt werden, wird man ihn fragen, warum wir vor seiner Tür gestanden haben.«
»Er könnte sich weigern, mit uns zu reden.«
»Das bezweifle ich. Nicht nachdem Candy mit ihm gesprochen hat. Sie hat durchklingen lassen, dass ich völlig am Ende bin und möglicherweise irgendetwas Verrücktes anstelle. Ich wette, er möchte ein öffentliches Spektakel vermeiden und mich viel lieber privat sprechen.«
»Aber nicht so privat. «
»Nein. Wir werden ihn ganz bestimmt unangenehm überraschen«, hatte er bestätigt.
Jetzt meinte Britt: »Eine Sorge weniger. Ich sehe keine Wachleute.«
Tatsächlich lagen Haus und Grundstück friedlich und heiter
vor ihnen. Dank der automatischen Sprinkleranlage leuchtete der Rasen taufrisch. Die über die gesamte Front reichende Veranda war von vier korinthischen Säulen umstanden, die den Balkon im ersten Stock trugen. Große Urnen voller Farne rahmten die zweiflügelige, glänzend schwarz lackierte Haustür ein.
Als sie davor angekommen waren, ohne aufgehalten worden zu sein, sah Raley Britt an. »Fertig?«
»Komm möglichst schnell zur Sache. Der Akku ist nicht ganz aufgeladen.«
Sie zielte mit der Kameralinse auf die Tür. Raley ließ den polierten Messingklopfer dreimal gegen die Tür fallen. Während sie darauf warteten, dass geöffnet wurde, wappnete er sich innerlich. Wogegen wusste er selbst nicht so genau. Er versuchte, sich geistig und körperlich auf alles Mögliche einzustellen. Einen bissigen Dobermann? Eine noch bissigere Haushälterin? Ein Kind in einem bunt bedruckten Pyjama?
Zu seiner Verblüffung öffnete ihm Cobb Fordyce persönlich. Er trug eine Anzughose, Hemd und Krawatte, aber kein Jackett. In der Hand hielt er eine Stoffserviette. Offenbar hatten sie ihn beim Frühstück überrascht.
Britt drückte den Aufnahmeknopf.
Fordyce taumelte überrumpelt ein paar Schritte zurück, als wäre der Camcorder eine Waffe. »Was soll das werden?«
»Guten Morgen, Mr Fordyce«, sagte Britt. »Wir haben uns lange nicht gesehen.«
Jetzt erkannte er sie als Reporterin und flüchtige Kriminelle und riss die Augen auf. Dann sah er wieder auf Raley und fragte noch einmal: »Was soll das werden?«
»Das wird der Tag, den Sie seit fünf Jahren fürchten. Wir sind gekommen, um mit Ihnen über Cleveland Jones zu sprechen. Sie erinnern sich?« Raley hielt ihm die Akten hin, die er mitgenommen hatte. »Hier steht alles drin, falls Ihr Gedächtnis aufgefrischt werden muss.«
Der Blick des Attorney General ging an ihnen vorbei, zu seiner
offensichtlichen Erleichterung waren sie allein gekommen. Er wandte sich wieder an Raley und sagte: »Cleveland Jones. Natürlich kann ich mich an ihn erinnern. Er war der Mann, der den Brand in der Polizeizentrale gelegt hat.«
»Sie bleiben also bei dieser Version der Geschichte?«, fragte Britt.
Irritiert hob Fordyce die Hand, als wollte er mit der Serviette die Kameralinse abdecken, doch dann besann er sich und ließ die Hand wieder sinken. »Er legte das Feuer, kurz bevor er an seinen Kopfverletzungen starb.«
»Miss Shelley und ich glauben, dass es anders war«, sagte Raley. »Und Sie wissen , dass es anders war. Genau wie Pat Wickham senior es wusste. Und Jay Burgess. Die inzwischen beide tot sind.«
Fordyces Augen zuckten zu Britt hinüber. »Sie wird verdächtigt, Burgess ermordet zu haben.«
»Dann verhaften Sie sie«, sagte Raley. »Wir warten hier, während sie ihre Rechte verlesen bekommt, und wenn die Polizisten eintreffen, um sie in Gewahrsam zu nehmen, werden sie vielleicht auch hören wollen, wieso Sie genau zu dem Zeitpunkt in der Polizeizentrale waren, an dem ein Brand ausbrach, in dem sieben Menschen sterben mussten.
Ach ja, wir überlassen der Polizei gern diese Videoaufzeichnung, damit jeder sehen kann, wie Ihnen der Schweiß auf dem Lügengesicht ausbricht, sobald wir diesen Vorfall erwähnen. Guten Morgen, Mrs Fordyce. Bitte
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