Süßer Tod
lagen. Fühlte er sich wie Pontius Pilatus und starrte auf das Blut an seinen Händen, das nur er allein sehen konnte?
Raley ließ sich von der zerknirschten Haltung des Mannes nicht beeindrucken. »Der Fall hatte also einen Beigeschmack, er irritierte Sie, aber trotzdem haben Sie nicht allzu tief nachgebohrt, um Ihrem Misstrauen auf den Grund zu gehen, oder?«
»Nein.« Langsam hob Fordyce den Kopf und blickte offen in die Kamera. »Ich habe nicht weiter nachgebohrt, weil in den Fall mehrere Polizisten verwickelt waren, gefeierte Helden aus dem Police Department, und weil ich wenig später meine Kandidatur für das Amt des Attorney General verkünden wollte. Ein AG braucht die Unterstützung der Polizeibehörden. Ich wollte nicht die Polizisten im ganzen Land vor den Kopf stoßen, indem ich andeutete, dass einige von ihnen in eine Verschleierungsaktion und möglicherweise sogar einen Mord verwickelt waren.«
Raley erkannte, dass er den Atem angehalten hatte. Er sah Britt an. Sie hatte den Camcorder immer noch ruhig auf Fordyce gerichtet, doch jetzt erwiderte sie kurz Raleys Blick, um festzustellen,
ob er begriffen hatte, was diese unerwartete Selbstbezichtigung bedeutete.
Sie ergriff die Initiative und fragte: »Was passierte im Vernehmungsraum mit Cleveland Jones?«
Ihre Stimme und ihre Haltung wirkten nachsichtig, kein bisschen bedrohlich und so unvoreingenommen, als wären nur sie und der AG im Raum und als würde sie sich ernsthaft und aufrichtig für seine kathartische Selbstanklage interessieren.
Es überraschte Britt daher, als Fordyce antwortete: »Das weiß ich nicht, Miss Shelley.« Er sprach sie durch die Kameralinse hindurch an. »Ich habe im Fall Suzi Monroe nicht nachgeforscht, weil mir das damals zweckdienlich erschien. Ich bin damals aus eigennützigen Motiven meiner Verantwortung nicht so nachgekommen, wie es notwendig gewesen wäre, dafür musste Mr Gannon teuer bezahlen. Ich kann nur um Verzeihung bitten. Wenn ich könnte, würde ich ihm die Jahre der Schande zurückgeben, die er schuldlos durchleiden musste, aber das kann ich nicht.
Aber ich weiß nicht, was sich in jenem Vernehmungsraum abgespielt hat. Ich weiß weder, wie Cleveland Jones starb, noch, wer den Brand gelegt hat.« Als er sah, dass Raley etwas einwenden wollte, kam er ihm mit erhobener Hand zuvor. »Sie brauchen mir das nicht zu glauben. Das ist eine Tatsache. Sie können das überprüfen.«
»Erzählen Sie«, befahl Britt.
»Ich verließ an dem Tag mein Büro im Gerichtsgebäude kurz vor achtzehn Uhr und machte mich auf den Weg zur Polizeizentrale.«
»Was wollten Sie so spät in der Polizeizentrale?«
»Einige neue Beweismittel für einen Fall abholen, der bald vor Gericht kommen sollte. Ich sollte mich unten am Empfang mit dem ermittelnden Detective treffen. Gerade als ich das Gebäude betreten wollte, ging der Feueralarm los. Ich rannte hinein. Es gibt Überlebende, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Eingangshalle aufhielten und die das bezeugen können.
Anfangs dachten wir, es handle sich um einen Fehlalarm. In diesem alten Bau war ständig etwas kaputt. Mehrere Leute rissen Witze. Jemand fragte, ob das eine Übung sei.«
Er verstummte und starrte ins Leere, als wollte er sich die Szene in Erinnerung rufen. »Aber gleich darauf rochen wir Rauch und begriffen, dass es tatsächlich brannte. Ich scheuchte die Menschen aus der Eingangshalle ins Freie, rannte dann durch die Gänge im Erdgeschoss und warnte die Angestellten in ihren Büros, das Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen.« Er verstummte wieder und zuckte dann mit den Achseln. »Den Rest kennen Sie.«
Britt sagte: »Sie sind zu bescheiden. Sie rannten auch nach oben und begleiteten auch die Menschen aus den oberen Stockwerken hinaus.«
Er nickte.
»Sie handelten also wirklich wie ein Held«, sagte sie.
»An jenem Tag habe ich das Richtige getan.« Er sah Raley an und fügte hinzu: »Im Unterschied zu später.«
Raley war überzeugt, dass er die Wahrheit sagte oder aber der beste Lügner in der Menschheitsgeschichte sein musste. »Sie haben Zeugen, die bestätigen können, dass der Alarm schon losgegangen war, als Sie das Gebäude betraten?«
»Ja. Unter anderem die Polizisten, die an diesem Tag im Empfangsbereich arbeiteten.«
»Waren Sie davor schon einmal dort?«
»An jenem Tag, meinen Sie? Nein. Auch das lässt sich belegen. Selbst der District Attorney muss sich am Empfang eintragen.«
»Das Verzeichnis ist damals verbrannt.«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher