Süßer Zauber der Sinnlichkeit
habe zu viel am Halse, um hier müßig herumzustehen und dummes Zeug mit dir zu erörtern!"
"Verzeih meine Taktlosigkeit!" Der zerknirschte Blick des Jungen rührte Armand. "Es ist nur so gut, dass du wieder bei uns bist! Es herrscht eine ganz andere Stimmung im Hause und unter den Leuten! Ganz besonders bei Dominie! Wenn du bleibst, dann können wir diese Stimmung vielleicht halten …"
Armand schüttelte den Kopf. "Wenn einer um Verzeihung bitten muss, dann ich! Weil ich so empfindlich reagierte. Eines Tages wirst du dich an unser Gespräch erinnern und mich verstehen. Zu einer Ehe braucht es mehr als nur einen Mann und eine Frau, die einander zugetan sind!"
Ganz gleich, welchem Wunschdenken der jüngere Bruder nachhing – Dominie macht sich nichts mehr aus mir, dachte Armand. Schließlich hatte sie ihm dies offen ins Gesicht gesagt. Falls sie dem Jungen verändert vorkam, und zwar zum Guten, dann musste es daran liegen, dass es Armand gelungen war, ihr die Bürde des Lehens teilweise leichter zu machen. Oder sie glaubte vielleicht, ihre Anwesen seien nun in der Lage, einem Angriff von Eudo St. Maur widerstehen zu können.
Solide, greifbare Gründe – nicht irgendwelche abstrakten Fantasien wie etwa Liebe. Und das war auch gut so, denn wenn sie ihn nicht liebte, dann konnte sie auch nicht verletzt sein, wenn er wieder fortging.
Ach, hätte er doch nur dem eigenen Herzen dieselbe Versicherung geben können!
"Wie ist es dir ergangen, Mutter?" Dominie beugte sich vor, um ihrer Mutter die weiche, blasse Wange zu küssen. "Hattest du in der letzten Zeit wieder einen Schwächeanfall?"
Blanchefleur De Montford schaute von ihrer Handarbeit auf. "Nicht einen einzigen, seit ich aus Breckland zurück bin! Der Heilige Brunnen bringt wahrhaftig Segen!"
Pater Clement, der bei Dominies Kommen der Lady gerade aus seinem Brevier vorgelesen hatte, nickte eifrig, als wolle er das Gesagte bekräftigen. "Sogar im doppelten Sinne: Besserung für meine Herrin und die Wiederkehr von Lord Flambard!"
"Wie geht es dem braven Armand?" Mit einer Handbewegung lud Dominies Mutter ihre Tochter ein, Platz zu nehmen, und ließ dann Käse und Wein auftragen. "Und Gavin? Er fehlt mir ja so, wenn ich auch weiß, dass er wieder männliche Gesellschaft braucht! Und ich vertraue darauf, dass Armand ihn schon nicht zu Schaden kommen lässt!"
"Gavin ist wohlauf und lässt dich grüßen. Zurzeit bleibt ihm wenig Zeit für seine Streiche. Armand nimmt uns allesamt sehr in Anspruch!"
Dann begann Dominie, ausführlich die Anstrengungen und Vorhaben auf Harwood zu schildern: die Beobachtungsposten an den aus den Fenns herausführenden Anmarschwegen, ein Alarmsystem, welches im Falle eines Angriffs im Handumdrehen Hilfe von benachbarten Anwesen auf den Plan rief, Vorkehrungen zur Rationierung der Vorräte, damit die Räuberbanden bei Überfällen auf Weiler oder Gehöfte nicht sämtliche Bestände auf einmal plündern konnten.
"Sieh einer an!" Lady Blanchefleurs Augen weiteten sich vor Erstaunen. "Der junge Armand hat viel von deinem seligen Vater gelernt!"
"Nicht alles beruht auf Armands Planung!" Dominie nahm den weingefüllten Pokal entgegen, den eine der Zofen ihr darbot. "Auch ich hatte ein Mitspracherecht, ebenso wie viele meiner Vasallen. Ja, wenn ich's recht bedenke, dann stammt die Idee, die Lebensmittel in Gruben zu verbergen, von einer leibeigenen Magd!"
Pater Clement erhob sich. "Da nun Lady Dominie eingetroffen ist, werde ich mich um meine sonstigen Pflichten kümmern, so dass die beiden Damen ungestört miteinander reden können."
Nachdem Pater Clement gegangen war, fiel Dominies Blick auf den weichen, grünen Wollstoff auf dem Schoß ihrer Mutter. Das Tuch erinnerte sie an das Moos im Thetford Forest. "Woran stickst du denn da gerade? Hübsch sieht es aus!"
"An einem neuen Gewand für dich natürlich!" Lady Blanchefleur hielt das Kleidungsstück hoch. Es war von schlichter, doch schmeichelnder Form, mit Ärmeln, die sich vom Ellbogen kelchartig auffalteten, dazu am Halsausschnitt verziert mit einer feinen Stickerei in dunkelgrünen und goldenen Farbtönen.
"Siehst du wohl?" sagte Dominies Mutter voller Stolz über ihre Handarbeit. "Ich habe gar keine Zeit gehabt, um krank zu sein. Ich möchte es unbedingt fertig stellen, damit du es zum Erntefest tragen kannst!"
"Du brauchst dich aber nicht so sehr anzustrengen. Bis zum Erntefest sind's noch zwei Monate hin. Außerdem benötige ich kein neues Gewand. Die, die ich habe, sind
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