Suesses Gift Der Liebe
Brandy war vergessen. Caleb stand nur da und starrte sie gebannt an.
»Wie sonst?«, fragte er mit einer Stimme, die sich für ihn selbst misstönend und rau anhörte.
»Durch Gift, natürlich.«
» Gift ?«
Sie rümpfte die Nase. »Die Buchseiten sind damit durchtränkt. Das Papier wurde in die giftige Substanz getaucht und dann getrocknet, ehe der Autor zur Feder griff. Immer wenn dein Urgroßvater eine Seite umblätterte, nahm er ein wenig von dem Gift auf. Ich vermute, dass Selbourne sich mit Handschuhen schützte, als er den Unsinn schrieb. Zum Glück für dich ist das Zeug nun fast hundert Jahre alt.«
Nun erst ging ihm auf, dass sie das Buch in den bloßen Händen hielt. »Verdammt, Lucinda, tu es weg.«
Sie sah ihn fragend an. »Warum?«
»Eben sagtest du, es wäre vergiftet.« Er entriss ihr das Buch und schleuderte es in den kalten Kamin. »Du darfst es nicht berühren.«
»Ach, mir und den meisten anderen Menschen schadet es nicht. Das Gift hat psychische Wirkungen, doch es ist so raffiniert abgestimmt, dass es nur bei Individuen mit deinem besonderen Talent wirkt. Ich kann es zwar spüren, schaden kann es mir jedoch nicht.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher.« Sie warf einen Blick auf das Buch. »Selbourne muss ein genialer Giftmischer gewesen sein, wenn er eine so elegant tötende Substanz mixte. Sein Talent muss meinem sehr ähnlich gewesen sein.«
»Er war ganz anders. Selbourne war ein Alchemist, der mit Okkultismus herumpfuschte.«
»Ich halte es für wahrscheinlicher, dass er mit sehr exotischen halluzinatorischen Substanzen experimentierte. Einige Zutaten des Giftes erkenne ich, aber nicht alle. Ich schlage vor, dass du das Ding verbrennst.«
»Ausgezeichnete Idee.« Er ging zum Kamin und machte sich daran, Feuer zu machen. »Sonderbar, aber auch jetzt, da ich weiß, dass es vergiftet wurde, wehrt sich etwas in mir, das Notizbuch zu vernichten.«
»Dein unnatürliches Interesse daran ist völlig verständlich. Das Zeug hat seine Wirkung fast verloren, doch es wirkt immerhin noch so stark, dass es deine Sinne angreift und die krankhafte Faszination schafft, die du für das Buch empfindest.
Gegen die frische, unverbrauchte Kraft des Giftes hatte dein Urgroßvater keine Chance.«
Er sah zu, wie das Feuer an dem Büchlein leckte. »In einem Punkt hatte ich recht, das verdammte Notizbuch war die Mordwaffe.«
»Ja.«
Er stand auf, fasste mit einer Hand nach dem Kaminsims und benutzte den Feuerhaken, um den Ledereinband zu öffnen und den Flammen leichter Zutritt zu den Seiten zu verschaffen. Dabei musste er gegen das Verlangen ankämpfen, das verdammte Ding wieder aus dem Feuer zu ziehen.
»Ich möchte dir raten, Abstand zu den Flammen zu halten«, sagte Lucinda. »Es ist gut möglich, dass der Rauch Giftspuren enthält.«
»Ach, daran hätte ich selbst denken können.« Er ging zum Sessel zurück, setzte sich und sah zu, wie das Buch ein Raub der Flammen wurde. »Lucinda, ich verdanke dir mein Leben und meinen gesunden Verstand.«
»Unsinn. Du hättest zweifellos auch weiterhin den Wirkungen des Giftes widerstanden.«
Er sah sie an. »Da bin ich nicht so sicher. Auch wenn es mich nicht in den Wahnsinn getrieben hätte, so hätte es mir sicher das Leben zu Hölle gemacht.«
»Nun gut, ich gebe ja zu, dass deine Willensstärke ein wahres Glück ist. Ein Mensch von schwächerer psychischer Verfassung würde längst eine Zwangsjacke tragen.«
Er zwang sich, den Blick von dem brennenden Buch loszureißen. »Werde ich die verdammte hypnotische Faszination für dieses Ding den Rest meines Lebens empfinden, auch wenn es zu Asche zerfallen ist?«
»Nein, die Wirkung wird rasch nachlassen. Aber ein paar zusätzliche Tassen des Trankes, den ich für dich zubereitete, werden den Erholungsprozess beschleunigen, zumal du jetzt dem Gift nicht mehr ausgesetzt bist.« Sie sah ihn argwöhnisch an. »Du hast meine Mischung doch getrunken?«
»Ja.« Er warf einen Blick auf die Teekanne und die Päckchen auf einem nahen Regal. »Ich merkte, dass ich mich nach einer oder zwei Tassen besser fühle. Aber kaum griff ich wieder nach dem Buch, verfiel ich von Neuem der Besessenheit.«
»Immer wenn du das Buch geöffnet hast, hast du dir selbst eine Giftdosis verabreicht.« Lucinda lächelte. »Meinen Glückwunsch zur Lösung des Falles, Mr Jones.«
»Nein«, sagte er. »Du warst es, die ihn aufgeklärt hat. Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll, Lucinda. Ich schulde dir mehr, als ich dir jemals
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