Suesses Gift Der Liebe
ich von Ihnen will, Caleb Jones.« Erregung färbte Norcross’ Ton. »Ich möchte zuschauen, wenn Sie vor Angst verrückt werden, und dann möchte ich sehen, wie Sie vor Angst sterben.«
»Warum?«
»Weil ich dieses Vergnügen liebe. Falls es Ihnen ein Trost ist - Sie werden ein passendes Testobjekt für die neueste Version der Rezeptur abgeben. Da Hulsey sie mir erst heute brachte, war noch keine Gelegenheit, damit zu experimentieren. Ich werde das einzige Publikum sein. Leider erkennt und würdigt nur ein ganz kleiner Kreis, was meine Geisteskraft vermag.«
»Einer der Kreise innerhalb des Ordens der Smaragdtafel.«
Sekundenlang ließ der Angstdruck nach. Caleb war klar, dass diese Feststellung Norcross dermaßen erstaunt hatte, dass er kurz aus dem Konzept gebracht war. Angst auf so hohem Niveau zu erzeugen, erforderte sehr viel Energie und intensive Konzentration.
Eine Sekunde später aber schlug die nächste Panikwelle zu. Obschon darauf vorbereitet spürte Caleb, dass das Chaos näher rückte.
»Sie haben also etwas über den Orden erfahren«, sagte Norcross. »Wahrscheinlich mehr, als gewissen Leuten klar ist. Sehr gut, Mr Jones. Um Ihre Frage zu beantworten, ich gehöre dem Siebenten Kreis der Macht an. Aber das wird sich ändern. Die Angehörigen dieses Kreises werden bald in einen viel höheren Kreis aufsteigen.«
»Mein Tod ist der Preis für den Aufstieg?«
Norcross lachte. »Nein, Jones, Ihr Tod ist eine Notwendigkeit, da Sie eine Bedrohung für meinen Kreis darstellen. Wir haben keine andere Wahl und müssen Sie aus dem Weg räumen, da sich zeigte, dass Sie Hulseys Spur aufgenommen haben. Ich kann nicht zulassen, dass Sie ihn finden. Das würde alles ruinieren. Wenn Sie weg sind, werde ich mich um Miss Bromley kümmern. Damit wären alle störenden Kleinigkeiten bereinigt.«
Und damit leuchtete ein Dutzend weiterer Gänge in verschiedenen Dimensionen innerhalb des Irrgartens auf. Eine neue Art Angst ließ ihn erschauern. Es ging nun nicht mehr darum, bis zum letzten Atemzug den Wahnsinn abzuwehren. Er musste diese Begegnung überleben, um Lucinda zu schützen, eine Erkenntnis, die es ihm gestattete, sich mit erneuter Intensität zu konzentrieren.
»Miss Bromley ist für Sie keine Bedrohung«, sagte er.
»Mag ja sein, aber wir können kein weiteres Risiko eingehen. Öffentlichkeit und Presse werden nicht weiter überrascht sein, wenn durchsickert, dass sie auch Sie vergiftete - wie schon ihren Verlobten. Dann wird sie Selbstmord begehen wie ihr Vater. Alles ganz sauber, meinen Sie nicht auch?«
»Lucinda weiß gar nichts über Ihren verdammten Kreis.«
»Sie vor allem müssten doch die Notwendigkeit einer gründlichen Vorgehensweise verstehen. Also, es war ein amüsantes Gespräch. Jetzt ist es beendet. Leben Sie wohl, Mr Jones.«
Chaos stieg aus dem Abgrund hoch, eine dunkle Welle unkontrollierter Kraft. Caleb suchte in dem am hellsten erleuchteten Bereich des Irrgartens Zuflucht, in jener Dimension,
wo die einzige, die allerwichtigste Wahrheit mit Sonnenstärke leuchtete. Er musste überleben, weil er das Einzige war, was zwischen dem Dämon und Lucinda stand. Wenn man die Antworten einmal sah, waren sie immer so erstaunlich einfach.
Die wirbelnde Dunkelheit toste über und um das psychische Konstrukt in seinem Kopf. Caleb beobachtete die Szene aus der Sicherheit der kristallinen Struktur heraus. Eine merkwürdige Heiterkeit erfasste ihn. Es kam nicht oft vor, dass man die Chance bekam, die rohe Kraft des Chaos zu beobachten. Er war gefesselt.
Er glaubte einen Mann irgendwo in der Nacht schreien zu hören, achtete aber nicht weiter darauf, da seine Aufmerksamkeit auf die wild zirkulierenden Strömungen fixiert war. Er steigerte seine Konzentration, überzeugt, ein ganz schwaches Aufglimmen eines Musters im Herzen des Energiesturmes zu erkennen.
Da wusste er, dass alle Antworten vorhanden waren und auf ihn warteten. Er erfasste auch mit absoluter Gewissheit, dass kein Mensch so große Wahrheiten begreifen und dennoch bei Verstand bleiben konnte. Ein kurzer Blick oder zwei würden ausreichen, um in ihm bis ans Ende seiner Tage Angst zu hinterlassen.
» Aufhören, verdammt .«
Das Geschrei, das die Worte begleitete, lenkte ihn ab. Caleb versuchte, sie zu ignorieren. Wer hätte es sich träumen lassen, dass Chaos so blendende Schönheit barg? Er würde es nie analysieren, geschweige denn beherrschen können. Aber gewiss stand es ihm zu, die tobende Kraft der feurigen Energie
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