Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
dafür. Auf jeden Fall ist das mehr als seltsam. Der Herr Hofrat hat Geld und kommt in die Küche, wann er nur kann.«
»Was machen wir jetzt?«, fragte Anna Lucretia zögerlich. »Wir sollten dort ausharren, alles beobachten und Grünberger auf frischer Tat ertappen. Doch Eck wird ihn warnen und ihm befehlen, nichts zu tun, während ich anwesend bin. Und wie soll ich erklären, dass ich mich so lang in der Küche aufhalte?«
»Großer Gott, Fräulein!« Die Kärglerin lachte lauthals auf. »Denkt Ihr immer so um die Ecke? Das ist doch einfach. Wir reden erst mit meinem Mann. Der sieht sich die Zucker- und Gewürzvorräte an, dann wissen wir gleich mehr und sehen weiter. Ihr wartet jetzt eine Weile in meinem Haus. Ich kehre allein in die Küche zurück, wie es sein sollte. Ich rede mit meinem Mann. Wenn er uns glaubt, hole ich Euch. Seid Ihr einverstanden?«
Anna Lucretia freute sich über ein wenig Ruhe. Doch mehr als eine halbe Stunde gönnte Theresa ihr nicht. Der Tag neigte sich jetzt seinem Ende zu. Der Himmel nahm einen lila Farbton an, die letzten Sonnenstrahlen ließen Schnee und Eis auf den Dächern und an den Rinnen nochmals golden aufleuchten, während der Hofgarten und das Innere der Burghöfe schon von der Dunkelheit verschlungen waren. Theresa führte die Herzogstochter in den hölzernen Gang, der außen am Dürnitz entlang die Küche und den Fürstenbau verband. Dort wartete der Küchenmeister mit einer Laterne in der Hand. Joris Kärgl war aufgeregt und guter Laune.
»Fräulein von Leonsperg! Ich weiß sehr wohl, dass ich noch klar denken und gut rechnen kann, obwohl diese Teufel von Köchen mir die ganze Zeit einreden wollen, ich würde wirr und wisse nicht mehr, was ich sage. Nun aber, Ihr Schurken!«
Leise gingen sie vom Holzgang in die Servierstube, dann in die große Mundküche, die Treppe hoch zum Zehrgaden, wo alle trockenen Vorräte für die Küche lagerten – Speck und Würste wie Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse, Obst, Kräuter und Salz, Zucker und Gewürze. Der gemauerte Zucker- und Gewürzschrank war mit einem dicken Schloss versehen, das Kärgl nur unter Schwierigkeiten mit seinem rostigen Schlüssel öffnen konnte. Lang sah er hinein, zählte und rechnete. Theresa wurde ungeduldig.
»Und? Ist mehr da, als du gekauft hast? Ja oder nein?«
Der Küchenmeister war fassungslos.
»Mindestens das Dreifache, Weib, wenn nicht mehr.«
»Verdammt! Zucker oder Gewürze?«
»Zügle deine Zunge, Theresa! Zucker und auch Gewürze sind zu viele da. Das Dreifache von dem, was ich erwartet hätte. Ihr Schurken! Ich mach Euch die Hölle heiß, und zwar sofort.«
»Sofort?« Anna Lucretia war besorgt. »Wir sollten doch lieber überlegen … «
»Was denn, gnädiges Fräulein?« fiel ihr die Kärglerin ins Wort. »Ihr seid mir eine! Nur nachdenken geht nicht. Wollt Ihr etwa, dass diese Übeltäter uns entkommen? Natürlich müssen wir jetzt gleich handeln.«
Um diese späte Zeit wurde in der Küche nur noch geräumt und gefegt, die Glut der Kamine, Öfen und Feuerstellen sorgfältig präpariert, damit die Holzburschen in der Früh alles sogleich entfachen konnten. Der Oberkoch, der Zuckerbäcker und der eitle Fürschneider kümmerten sich nicht um diese niedrigen Tätigkeiten. An einem kleinen Tisch neben der Siedeküche tranken sie Rotwein aus Gläsern! Dazu verspeisten Grünberger, Kurzbein und Quast stattliche Portionen einer Hirschpastete. Der Oberkoch schlug sich auf den dicken Schenkel, als er den Küchenmeister erblickte.
»Nun, Meister Kärgl, immer noch bei der Arbeit? Da bleibt Euch doch keine Kraft mehr in den Knochen für Euer bezauberndes Weib. Nichts für ungut.« Er entdeckte die zwei Frauen. »Das Fräulein von Leonsperg ist wieder da. Hier wird bald mehr getanzt als im Fürstenbau!«
Der Küchenmeister blieb freundlich lächelnd stehen.
»Seid so gut, Grünberger, und gebt mir Euren Schlüssel für den Gewürzschrank. Meiner klemmt im Schloss.«
Während Quast und Kurzbein stutzten, lachte der Oberkoch immer noch. Er roch penetrant nach Wein.
»Aber sicher doch, lieber Küchenmeister, hier ist er! Ein großer Schlüssel für einen großen Schrank, so muss es sein.«
Grünberger zwinkerte den zwei Frauen frech zu, zog den Schlüssel von seinem Bund und schwenkte ihn so hin und her, dass Kärgl ihn gewiss nicht erreichen konnte. Doch Theresa schnappte ihn sich. Das Lachen des verdutzten Oberkochs brach ab.
»Da Ihr in so guter Stimmung seid, Meister Theodor, erklärt mir
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