Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
zeigt, dass mein Misstrauen sie erkranken ließ. Eck hat kein Hehl daraus gemacht, dass er gegen die Diät war. Wie die meisten hier in Landshut und auch in München. Er ist nun mal tatkräftiger als andere. Deswegen hat er wahrscheinlich die Köche dazu angestiftet, Beweise für seine Ansichten zu finden. Das macht aus ihm noch keinen Mörder oder Hochverräter. Ich hoffe, Herzog Christoph bringt uns etwas Klarheit.«
»Falls wir bis dahin nicht alle tot sind, Vater. Was kann ich sonst noch sagen, damit Ihr die Gefahren dort seht, wo sie lauern?«
Anna Lucretia war fassungslos. Nicht einmal eine hochnotpeinliche Befragung der Köche würde ihren Vater überzeugen. Sollten die Drei Eck als persönlichen Vertreter des Leibhaftigen auf dieser Welt benennen, was sie auch ohne Folter tun würden, um sich als Unschuldslämmer darzustellen, so wäre er nicht zu bekehren. Alles, alles umsonst. Die zwei Schlüssel unter ihrer Schaube hätte sie genauso gut in die Isar werfen können.
»Begib dich zu Widmannstetter, mein Kind, und schicke mir für eine Weile das Fräulein von Weichs! Ich danke dir für deine Sorgen, mein süßes Täubchen.«
Wie ärgerlich! Weder süß war sie noch ein Täubchen! Sie fühlte sich als wandelndes Gewitter, das sich in Johann Albrechts Kammer entlud, als Ursula nicht mehr anwesend war. Der verletzte Gelehrte küsste sie so fest, wie es seine wiederkehrenden Kräfte erlaubten.
»Meine Aigina, du Tochter des Flussgottes, das Feuer Jupiters steigt in dir auf. Du wirst mir noch den Aiakos, den Großvater des Achilles, gebären. Ich lasse dein Bild im italienischen Bau verewigen, wie du jetzt vor mir stehst: flammend, voller Wut und Tatendrang.«
Das fehlte ihr noch! Sie biss sich auf die Lippen, bis sie Blut schmeckte. Wie konnte er nur von zukünftigen Kindern reden, obwohl das Ungeborene in ihr die Strapazen seiner ersten Wochen bestimmt nicht unbeschadet überleben würde – von seinem ahnungslosen Vater ganz zu schweigen!
»Gute Nacht«, wünschte sie ihm knurrend. »Du solltest nicht so leichtfertig von Feuer reden. Womöglich bekommst du gerade Lungenfieber.«
»Bei Jupiter, mein Herz! Beruhige dich doch! Wir sind so gut wie am Ziel. In drei Tagen erreicht Herzog Christoph Landshut. Eck wird nicht ungeschoren davonkommen, glaub mir. Und dann gibt es drei Anklagen wegen Hochverrats gegen die Köche und den Fürschneider.«
»Das glaubst du selber nicht«, warf sie ihm ohne Umschweife vor. »Genese schnell!«
Sie lief durch den unbeleuchteten Gang in die Stadtresidenz zurück, ließ sich von einer Magd ein Lager neben dem Kachelofen der herzoglichen Wohnstube einrichten und lag dann dort wach. Sie musste an Theresas Angst denken, ihre Unruhe und ihre Abscheu vor den zwei Schlüsseln.
29
In der Nacht zum 4. Januar, lang bevor die sieben Klöster zum Morgengebet läuteten, wurden in der Bergstraße die Bettgardinen von Theresa und Joris Kärgl aufgerissen: Vor den völlig überraschten Eheleuten standen schwerbewaffnete Soldaten aus Ecks Truppe. Sie schlugen Kärgl kräftig auf den Kopf, als er protestieren wollte, ließen ihm kaum Zeit zum Anziehen, bemächtigten sich seines Kettengürtels mit den Schlüsseln und führten den Küchenmeister aus der Schlafstube. Ihr Anführer hielt Theresa, die im Hemd auf ihrem Bett kniete, einen Dolch an den Hals.
»Wenn du dein Haus auch nur für einen Moment verlässt, Weib, wenn du das Maul aufreißt oder auch nur ein Wort mit jemandem redest, ist dein Mann tot. Das gilt auch für deine Mägde. Du bist krank, liegst im Bett und weißt nicht, wo sich dein Mann aufhält. Wir verstehen keinen Spaß. Sei froh, dass ich keine Zeit für dich habe.«
Mit der linken Hand fasste er ihr an die Brust. Theresa wagte kaum, zu atmen. Mit seiner rechten Faust schlug er ihr auf den Kopf. Sie fiel nach hinten und blieb bewusstlos liegen.
Wenig später klopften zwei große Bewaffnete laut an die Tür des Hauses in der Schirmgasse, in dem Niklas Überreiter wohnte. Die schläfrige Magd holte ihren Herrn aus seiner Kammer. Er solle sich schnell bekleiden und ihnen zu Hofrat von Eck auf die Trausnitz folgen. Zitternd vor Angst wagte es der Baumeister nicht, Widerstand zu leisten. Er war verloren, daran zweifelte er nicht. Der Hofrat wusste alles über ihn, würde ihn anklagen und verurteilen lassen – vielleicht war er der mächtige, gnadenlose Herr, mit dem der tote Soßenkoch geprahlt hatte. Dann, so fürchtete Überreiter, würde er erpresst werden, um wie
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