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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
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ein Hund, dem verboten wird, vom gerade gestohlenen Braten auch nur den kleinsten Bissen zu fressen. Der alte Küchenmeister war fassungslos gewesen über den Schlagabtausch zwischen der Herzogstochter und dem Hofrat, aber mehr noch über die Frechheit seiner Frau.
    »Theresa, was fällt dir ein? Du vertreibst den Baumeister wie einen bösen Buben, dabei war er so hilfsbereit. Fräulein von Leonsperg, entschuldigt bitte mein Weib. Wir schuften hier wie die Ochsen während der Feiertage. Nie ist mehr zu tun.«
    »Habe ich dem Überreiter Unrecht getan?« Die Kärglerin wollte sich nicht beruhigen und wandte sich direkt an die Tochter des Herzogs. »Ich muss das aus Eurem Mund hören.«
    »Theresa, wie kannst du nur … «
    Anna Lucretia sah die Frau des Küchenmeisters eindringlich an.
    »Lasst ruhig, Meister Joris! Euer Weib hat dem Baumeister kein Unrecht zugefügt. Das versichere ich Euch.«
    Der alte Mann verstand die Welt nicht mehr. Sein Küchenreich war zum Hexenkessel geworden. Würden bald das Fräulein wie seine Frau mit den bösen Geistern tanzen, die seit der Errettung Widmannstetters aus der Löwengrube überall ihre Schatten warfen?
    »Nun, dann ist ja alles in schönster Ordnung«, stammelte er traurig. »Was möchtet Ihr noch, Fräulein von Leonsperg? Sollen wir etwas ändern am Festmahl zum Dreikönigstag? Vom Spital habt Ihr geredet, nicht wahr?«
    »Nein, die Speisen wie jedes Jahr. Sie sind doch schon vorbereitet, oder?« Anna Lucretia konnte kein Mitleid zeigen. Sie brauchte ihre ganze Kraft für sich selbst und hielt sich nur unter größter Anstrengung aufrecht. »Ich wollte die ersten Schuchsen fürs Spital und die Rauhnachtsweckerln fürs Waisenhaus mitnehmen.«
    »Die sind noch nicht fertig, das Fräulein wird warten müssen«, mischte sich Theresa ein. »Kehr zu deiner Arbeit zurück! Ich leiste ihr so lang Gesellschaft und helfe ihr danach beim Tragen. Das ist dir doch recht?«
    »Gewiss, wenn es auch unserem Fräulein lieb ist?«
    Anna Lucretia sah weiter starr in Theresas undurchdringliche Augen.
    »Das ist es, Meister Joris. Ich bin sehr erschöpft. Ein wenig Ruhe, während ich warte, tut mir gut.«
    Theresa bedeutete ihr, mitzukommen. In der hintersten Ecke der großen Mundküche, zwischen der Silberkammer und dem Holzhaufen für den riesigen Kamin, stellte sie zwei einfache Schemel auf. Anna Lucretia setzte sich stumm hin, die Kärglerin ihr gegenüber. Wieder spürte die junge Frau Übelkeit. Aus dem Abfallschacht gleich hinter ihr krochen modrige Ausdünstungen in ihre Nase. An diesen Ort, so tief in der Hofküche, gelangte fast kein Tageslicht mehr. Nur lange Fackeln, brennende Holzscheite und ihre Glut verdrängten die Dunkelheit. Die Gestalten der Köche, Knechte und Mägde nahmen im Spiel der flackernden Flammen grotesk entstellte Formen an. Auf der anderen Seite des großen Kamins, vor der Reihe der Feuerstellen, walkten schwitzende Frauen Teigflecken in eines Mannes Schuhlänge aus, die Schuchsen. Der schwere Teig aus Roggenmehl und Topfen kostete sie Mühe. Ihre roten Gesichter waren von der Anstrengung verzerrt. Eins nach dem anderen wurden die Teigstücke in hohen Pfannen in Schmalz gebacken. Ihrer schieren Größe wegen tropfte reichlich heißes Fett herunter auf die Kochgitter. Es zischte bedrohlich; immer wieder erzeugten Glut und Fett unberechenbar springende Funken, die den Mägden ins Fleisch bissen. Ihre plötzlichen Schreie unterbrachen das rhythmische Stöhnen beim Walken.
    »Fräulein … Fräulein von Leonsperg, hört Ihr mich?«
    Anna Lucretia fuhr hoch wie aus einer Trance. Ganz nah an ihrem Gesicht glühten rötlich Theresas Augen.
    »Trinkt das! Ihr braucht es.«
    »Was ist das?« Sie konnte nur schwer artikulieren, ihre Zunge fühlte sich an wie Blei.
    »Melisseningwerwasser. Glaubt mir, die Herzogin hätte es nicht besser gemacht.«
    Wortlos trank die junge Frau aus dem kühlen, silbernen Becher. Das Getränk schmeckte fast wie Schnee. Die sie umgebenden Flammen schienen zurückzuweichen, ihre Übelkeit nahm ab.
    »Noch mehr, bitte.«
    »Gern. Könnt Ihr mir jetzt zuhören und stillhalten? Für alle um uns herum reden wir ganz ruhig und warten auf die Schuchsen. Wird es gehen?«
    »Ja, ich höre Euch zu.«
    »Nehmt Euch in Acht! Niemand darf Euch ansehen, um was es geht. Ich fange an. Er ist hinter Euch her, oder?«
    Anna Lucretia erschrak.
    »Wer denn?«
    »Nein, nein, nicht so, Fräulein. Ganz ruhig, es gibt überall Augen und Ohren hier. Der Baumeister

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