Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
doch, warum dreimal mehr Gewürze und Zucker in den Vorräten liegen, als ich eingekauft habe.«
Das knallrote Gesicht Grünbergers erblasste, Quast erstarrte, Kurzbeins Knollennase erzitterte. Er erinnerte Anna Lucretia an ein Murmeltier, das sie bei einer Reise nach Tirol hatte beobachten können. Der Oberkoch suchte verzweifelt nach einer guten Idee, diesen Überschuss zu begründen, doch der Wein trübte seinen Erfindungsgeist. Er schnappte mehrmals nach Luft, blieb aber stumm.
»Nun, Grünberger, wie erklärt Ihr das? Woher kommt der viele Zucker? Die Unmengen an Gewürzen? Mit welchem Geld habt Ihr das gekauft? Wieso benötigt Ihr so viel, obwohl unser Fürst im Moment keine süßen Speisen essen soll? Und warum weiß ich nichts davon?«
»Ich … wollte Euch … das … morgen früh sagen … Meister Joris. Diese Vorräte habe ich … erst vor zwei Tagen … Es gibt so viel Arbeit für das Dreikönigsmahl … ich fand keine Gelegenheit.«
»Von wem stammt das Geld, mit dem Ihr das gekauft habt?«
»Das hat nichts gekostet. Das sind Geschenke vom Hofrat an die Küche des Herzogs. Er ist immer sehr großzügig.«
»Von welchem Hofrat redet Ihr?«, wollte Anna Lucretia wissen. »Von Eck?«
»Ja, also … ja, von Doktor Eck.«
»Ich weiß, dass der Hofrat Eck sehr freigiebig ist«, übernahm Kärgl wieder die Befragung. »Seine Forellen und seinen Claret sehe ich so gut wie jeden Tag. Warum sollte ich den Zucker und die Gewürze nicht entdecken?«
»Aber, Küchenmeister, Ihr dürft alles sehen, doch ich verwalte diese Dinge. Es ist mein Privileg. Ihr hättet es morgen erfahren, Meister Joris. Da müsst Ihr doch kein Aufheben drum machen.«
»Das bezweifle ich sehr, Grünberger. Von den Weihnachtsgeschenken des Hofrats habe ich bis heute von Euch nichts gehört. Wolltet Ihr mir das auch morgen sagen?«
»Die Weihnachtsgeschenke? Ich verstehe Euch nicht, Küchenmeister. Es gab keine, die Ihr nicht gesehen und aufgeschrieben habt.«
»Warum gingen dann die Salzvorräte zur Neige, die ich bis Mitte Januar berechnet hatte? Wie sie auch jetzt schon wieder ausgehen? Kurzbein, hast du noch einen klareren Kopf als unser Oberkoch? Kennst du eine bessere Erklärung für diese ungeheuerlichen Missstände?«
Der Zuckerbäcker sah einem panischen Murmeltier immer ähnlicher. Er errötete stark.
»Der … der Doktor von Eck machte sich große Sorgen wegen dieser Paracelsusdiät, wie wir alle. Er hat uns geraten, die Brühen und Soßen mit Zucker zu versetzen, um zu beweisen, dass es dem Herzog nicht schadet. Damit es nicht auffiel, brauchten wir auch mehr Salz und Gewürze.«
Der Küchenmeister war jetzt nicht mehr zu bremsen. Er erholte sich gerade auf einen Schlag von Wochen der Demütigung, der Gram und der Zweifel.
»Wie Ihr es auch dreht und wendet, Ihr seid Schurken, Lügner und wärt fast zu Mördern geworden. Sorgen habt Ihr Euch gemacht um den Herzog? Dass ich nicht lache! Ich glaube Euch kein Wort. Wenn Ihr dafür Geld bekommen habt, dann seid Ihr auch noch Verräter. Der Richtplatz ist Euch sicher. Selbst wenn man Euch die Sorgen abnehmen sollte, so habt Ihr trotzdem Euren Herrn und Fürsten, die Herzogin und mich schamlos hintergangen. Der Hofrat Eck ist nicht Euer Herr. Ihr werdet Euch vor dem Herzog verantworten müssen.«
Die drei Männer schwitzten vor Angst.
»Wir haben kein Geld bekommen«, versicherte Grünberger.
»Wir waren nur höchst besorgt um unseren Herrn, das schwöre ich«, stammelte Kurzbein.
»Wir haben dem Hofrat vertraut. Sein Rat erschien uns gut. Ja, wir waren ungehorsam, aber aus Sorge, nur aus Sorge. Das werden wir vor dem Herzog beschwören. Der Hofrat wird es bezeugen«, meinte Quast.
»Ob er das bezeugt, wird der morgige Tag zeigen. Verschwindet jetzt aus der Küche!«
Als sie gegangen waren, machte Theresa ihrem Ärger lautstark Luft.
»Was fällt dir ein, Kärgl, diese Ratten ziehen zu lassen? Die flüchten noch heute Nacht. Oder sie gehen zu Eck und erzählen ihm, dass du ihr übles Tun aufgedeckt hast. Wir müssen zum Herzog oder den Hofrat Weißenfelder benachrichtigen. Ich fürchte, die sind zu allem fähig.«
Doch Kärgl lächelte wissend und zeigte auf den Schlüssel, den er an seiner Gürtelkette befestigt hatte.
»Das können sie ruhig tun. Ich habe die beiden Schlüssel. Der Beweis ist also unerreichbar. Was würde es ihnen helfen, den Schrank aufzubrechen? Sie sind verloren. Die Köche entkommen uns nicht und der Hofrat wird sich nicht mehr in meine
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