Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
ist hinter Euch her. Ja oder nein?«
Anna Lucretia war am Ende ihrer Widerstandskräfte. Sie konnte nicht mehr lügen, rechnen, klug abwehren. Nicht mehr vor dieser zu allem entschlossenen Frau. Es fühlte sich an, als ob Theresas Augen ihr die Worte aus dem Mund saugten.
»Ja, er ist hinter mir her. Schon lange.«
»Was will er von Euch?«
»Mich heiraten und dass ich ihn liebe.«
»Warum glaubt er auf einmal, es wäre möglich?«
»Weil mein Verlobter entlassen worden ist. Weil ich dachte, er könnte mir helfen, den Giftmischer zu finden, der meinem Vater nach dem Leben trachtet. Es war aber vergebens.«
»Habt Ihr Überreiter dafür etwas versprochen?«
»Ja. Der Herzog sollte nicht erfahren, dass er Johann Al-brecht beinahe getötet hätte.«
Theresa sprach zuckersüß und ganz unaufgeregt, doch jeder Satz traf eine wunde Stelle bei Anna Lucretia.
»Sehr großzügig, Fräulein, aber das ist es nicht, was ich meine. Ihr versteht schon, was ich meine, oder?«
»Ich habe ihm Hoffnung gemacht, falls er hilft, meinen Vater zu retten.«
Eine Rechtfertigung dafür wollte ihr über die Lippen kommen, doch sie verzichtete sogleich darauf. Sie fragte ja auch nicht Theresa, warum sie ihren Mann nach Strich und Faden betrog.
»Nun, Fräulein, habt Ihr je vorgehabt, den Baumeister so zu belohnen?«
»Nein, niemals. Und weniger denn je, seit ich euch beide auf der Mühleninsel gesehen habe. Darüber habe ich kein Wort verloren, niemandem gegenüber.«
Theresas Blick wurde milder. Sie schien immens erleichtert – mehr noch über die zweite Aussage Anna Lucretias als über die erste. Die Preisgabe eines Geheimnisses konnte also das Gift der Eifersucht besiegen. Die junge Frau hatte Mühe, das zu verstehen, fasste aber neuen Mut.
»Frau Kärgl, man liebt nicht immer, wen man lieben darf. Man lässt nicht stets sein, was nicht sein darf. Ich weiß das, Ihr dürft mir glauben. Ihr wollt den Baumeister, einen freien Baumeister, der nicht unter Mordverdacht steht. Ich will meinen Vater und Johann Albrecht retten. Das eine geht nicht ohne das andere. Könnt Ihr mir helfen? Kann ich Euch beistehen? Das Unheil kommt aus der Hofküche, das wissen wir beide.«
Nun hatte Theresa Mühe, so ruhig und gelassen zu bleiben, wie sie es von Anna Lucretia verlangt hatte.
»Was ist mit Doktor Eck? Er hat Euch unverschämt angegriffen. Er verlässt die Küche nicht mehr, seit er auf der Trausnitz weilt. Gott weiß, warum. Und die Köche sind frecher denn je mit meinem armen Kärgl.«
Diese Frau besaß wahrlich einen sechsten Sinn. Oder ging Eck tatsächlich sämtliche Risiken ein? Wie dem auch sei: jetzt oder nie.
»Eck ist der mächtige Herr, von dem der Soßenkoch sprach. Der alles sieht, alles tun kann, alle in der Hand hält. Er hat dem Fräulein von Weichs vergiftete Ambra für meinen Vater gegeben. Das haben wir heute Morgen erfahren. Deswegen ist meine Tante dem Tode nah.«
Die Kärglerin pfiff leise.
»Ja, das gibt Sinn. Dann ist Eck der Goldregen, der Grünberger, Langhahn und Kurzbein den Kopf verdreht hat. Darum kommen wir in den Genuss seiner Besuche in der Küche. Warum lässt der Herzog ihn nicht festnehmen?«
»Mein Vater weiß es noch nicht. Johann Albrecht und ich fürchten, er könnte sich herauswinden, wenn wir nicht mehr in der Hand haben.«
»Johann Albrecht und ich? Ich dachte, der gute Doktor wäre längst über Berg und Tal?«
Anna Lucretia errötete stärker als die Flammen in der Küche.
»Er liegt schwer verletzt bei Fräulein von Weichs. Auch ein Werk des Hofrats … «
»… der aber nicht weiß, wo sich Euer Verlobter aufhält, nicht wahr?«
»Nein, er vermutet es nur. Deswegen hat er mich so angegriffen.«
Theresa warf einen Blick in Richtung der Mägde. Der Schuchsenteig war fast aufgebraucht.
»Schnell jetzt, Fräulein. Ihr wollt einen Beweis gegen den Hofrat. Ihn auf frischer Tat ertappen, wenn es geht. Oder?«
»Genau. Könnt Ihr mir helfen?«
»Mag sein, aber nicht sofort. Wir bringen Schuchsen und Weckerln zusammen in die Stadt und kommen gemeinsam zurück. Auf dem Weg erzähle ich Euch etwas, vielleicht hilft es. Seid Ihr kräftig genug? Der Tag wird damit nicht zu Ende sein, glaube ich.«
»Macht Euch keine Gedanken darüber. Ich bin zu allem bereit.«
28
Anna Lucretia und Theresa Kärgl verließen die dunkle Hofküche mit vier schweren, in der kalten Winterluft dampfenden Körben. Die junge Frau war überrascht, wie hell es draußen noch war. Sie wunderte sich über ihr
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