Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
Vom Netzwerk:
Langhahn zu enden, wenn er ihm nicht mehr nutzen konnte. Es schien ihm das Ende, so sicher wie das Amen in der Kirche.
    Als die zwei Bewaffneten ihn nicht über den Dreifaltigkeitsplatz, die Bergstraße und die Fürstentreppe – den direkten Weg zur Trausnitz – führten, sondern durch das Zerrertor und den menschenleeren Haag, den Wildpark der Wittelsbacher, keimte eine schlimme Befürchtung in ihm auf. Die töten mich noch vor der Morgendämmerung, dachte er, genau wie Langhahn. Dabei weiß ich viel weniger als er und doch ist es schon zu viel. Er erwartete jeden Augenblick, einen Dolch oder die Würgschraube an seiner Kehle zu spüren. Er konnte sein Glück kaum fassen, als sie die Burg erreichten und den Fürstenbau betraten. Im ersten Stockwerk, im sogenannten ›Zimmer der Verschwiegenheit‹ neben dem Durchgang zur Empore der Burgkapelle, saß an einem Schreibpult Hofrat von Eck, ruhig und mit allwissendem Blick, wie Überreiter meinte. Er sollte also erpresst werden, schoss es ihm durch den Kopf. Die gerade ausgestandene Todesangst steckte ihm noch in den Knochen, doch war Erpressung besser? Noch mehr Sünde für seine schon so schwer belastete Seele? Der Gedanke an die damit unweigerlich verbundenen Qualen in der Hölle folterte ihn schon hier auf Erden. Eck vergeudete keine Zeit.
    »Wir müssen uns noch vor Tagesanbruch unterhalten, Baumeister, deshalb die Eile meiner Männer. Ich hoffe, Ihr verzeiht die Entführung.«
    Überreiter zeigte keine Reaktion. Ein Gespräch? Was bedeutete das? Als ob er irgendetwas zu sagen wüsste. Eck seufzte.
    »Wir müssen reden über Dinge, die Euch unmittelbar betreffen.«
    Nun, dachte der Baumeister, wenn er mich früher oder später umbringen lassen will, dann betrifft es mich wahrlich unmittelbar. Er blieb lieber stumm.
    »Warum so schweigsam, Meister Niklas? Ich will Euch helfen und Ihr seht mich an, als ob Euch das Jüngste Gericht bevorstünde. Lasst uns von Mann zu Mann reden.«
    »Worüber denn?«, wollte der hünenhafte Überreiter wissen. Seine Stimme krächzte vor Angst.
    »Darüber, dass Ihr schamlos hintergangen und benutzt werdet.«
    »Wie bitte? Nein … von wem denn?«
    »Von wem wohl, mein Lieber, wenn nicht vom engelsgleichen Fräulein von Leonsperg? Oder hat sie Euch schon gesagt, dass ihr Verlobter seit Silvester zurück ist? Trotz seiner angeblichen Entlassung?«
    Überreiter schien es von einem Moment auf den anderen, als ob ihm der Boden unter den Füßen weggezogen worden wäre. Sein Kopf fühlte sich leer an, seine Beine trugen ihn nicht mehr, auf seiner Brust lastete ein zentnerschweres Gewicht. Anna Lucretia hatte ihn angelogen – schon immer oder erst seit Kurzem, das spielte keine Rolle. Er hatte geglaubt, seine Seele zu retten, sie jedoch hatte nur mit ihm gespielt. Er musste sich auf Ecks Schreibpult stützen. Plötzlich steckte eine Wut in ihm, so tief, so unbändig, so mörderisch, dass er sie schier nicht ertragen konnte. Er sah erschreckend aus, fand Eck. Wie schön.
    »Baumeister, was ist mit Euch? Hört Ihr mich? Wacht auf! Seht mich an und hört mir zu!«
    »Ich höre Euch zu, Herr Hofrat. Was gibt es noch zu sagen?«
    Eck war sich nun sicher, dass er weder große Redekunst noch Überzeugungskraft benötigte. Fast war er enttäuscht.
    »Das Fräulein hat Euch verraten, wie sie mich verrät, und meinen Herzog obendrein. Sie versteckt ihren Liebhaber. Wie ich vermute, im Haus der Mätresse. In der Kammer hinter der Schlafstube. Ich habe den Befehl, ihn zu arretieren und nach München zu bringen. Er muss wegen Hochverrats angeklagt werden. Das Fräulein könnte niemals so handeln, wenn ihr Vater und die Herzogin nicht einverstanden wären. Auch diese beiden begehen folglich Verrat am Herzogtum. Außerdem bereiten sie einen Aufstand vor gegen Ulrich von Württemberg. Das ist Verrat an meinem Herrn und am Religionsfrieden im Reich. Doch ich kann Widmannstetter, Euren Rivalen, nicht erreichen. Helft mir dabei, Baumeister! Bringt ihn zu mir oder tötet ihn. Tötet auch den verräterischen Ludwig und seine Schwester! Ich werde Euch fürstlich belohnen.«
    Der schwer atmende Hüne starrte Eck weiter an und blieb lang still. Er senkte die Augen, dann sprach er.
    »Was geschieht mit mir, wenn ich es getan habe?«
    »Ich sende Euch nach Hessen zu Landgraf Philipp. Er wird Euch schützen. Hat sich hier alles beruhigt, verschaffe ich Euch in München die Stelle des Hofbaumeisters und – falls sie noch lebt und Ihr es wünscht – das Fräulein

Weitere Kostenlose Bücher