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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
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Verzeihung vor dem ganzen Hofstaat? Nicht mit ihr! Er sollte sich glücklich schätzen, dass sie ihn nicht zu seinen Vätern jenseits der Alpen zurückgejagt hatte, vom endgültigen Jenseits ganz zu schweigen!
    Anna Lucretia ahnte den bevorstehenden Ausbruch ihrer Tante. Den musste sie verhindern. Sie zupfte am Ärmel ihres Vaters. Ludwig verstand, was sie ihm sagen wollte und legte von hinten seine feste Hand auf Sabinas zuckende Schulter. Er wandte sich direkt an den Koch.
    »Was gibt es, Signor Soldani? Was wollt Ihr uns mitteilen? Redet ohne Furcht!«
    Der Italiener schmolz förmlich dahin vor Dankbarkeit.
    »Si, si, nobile Principe, mille grazie, tausend Dank, es ist sehr wichtig, veramente, sehr, sehr wichtig.«
    »Nur zu, Signor, wir hören alle zu.«
    Der schüchterne Soldani zögerte, denn er war nun das Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit. Einige der Umstehenden wünschten ihn in die Hölle: Sabina war nach wie vor wütend; Kärgl empört, weil er sich übergangen fühlte; die anderen Köche blickten höhnisch oder gar verächtlich. Soldani räusperte sich und begann zu reden – langsam und bedächtig, suchte oft nach den genauen Bezeichnungen, vermied aber das Italienische, soweit er konnte.
    »Hoheit, Ihro Durchlaucht, die Speisen nach den Empfehlungen dieses Doktor Paracelsus sind mir natürlich nicht vertraut, dennoch höre ich viel darüber in den letzten Tagen. Viele fürchten sich davor. Oder fürchten für Euch, Hoheit. Viele schimpfen diese Speisen Bauernkost oder Viehfraß, da sie angeblich aus feuchten, kalten Stoffen bestehen – schädlich also in dieser Jahreszeit, noch schädlicher für die Körpersäfte eines Edlen. Aber ich habe von dem, was ich gehört habe, einen ganz anderen Eindruck gewonnen.
    Primo: Bei Fisch und Fleisch muss sich, wie mir scheint, nichts ändern, ganz im Gegenteil. Bei den wertvollen Gewürzen, abgesehen vom Zucker, auch nicht. Anstelle von Zucker: Was spricht gegen Obst, ob frisch oder gedörrt? Jede Frucht eines in den Himmel wachsenden Baumes ist eines Edelmannes würdig. Das weiß jedermann in meiner Heimatstadt Bologna, die man ›la grassa‹, ›die Fette‹, nennt, weil dort besser, schöner, reichlicher gegessen wird als überall sonst in Italien. Nicht mal Rom, Mailand und Venedig genießen so viele, so gute Speisen wie meine Bologneser. Keine Stadt hat bessere Köche. Ich, Claudio Soldani, bin nur einer von Hunderten. Secundo, nobile Principe, graziosa Principessa«, der Italiener verbeugte sich tief vor Sabina, »niemand muss sich fürchten, mehr verduri, mehr Gemüse meine ich, zu essen, das tun die welschen Adligen aus guten Gründen ausgiebig und gern. Non è vero, Maestro Sigismondo?«
    Der stolze Architekt der Stadtresidenz stand mit seinem Stuckateurmeister Benedetto di Bertoldi neben Widmannstetter in den Reihen der Hofkünstler. Breit lächelnd bestätigte er die Aussagen seines Kochs.
    »Er sagt die Wahrheit, gentile Signori. Das habt Ihr doch selbst erfahren bei Euren Besuchen in Mantua, Hoheit. Jeder, vom Fürsten zum Bettler und natürlich alle unsere Damen, bei uns weiß: Nichts öffnet besser den Magen für eine edle Tafel und für Körper wie Geist, für die Ruhe oder die Spiele der Nacht als pikante kleine Speisen am Anfang eines jeden Mahles. Nicht wahr, Meister Widmannstetter? Ihr habt lang genug in Italien gelebt. Das muss Euch in Fleisch und Blut übergegangen sein. Deswegen dachtet Ihr Euch vermutlich nur Gutes bei der Diät Eures Doktor Paracelsus. Den verduri verdankt Ihr bestimmt, mit Verlaub, manch feurig süße Stunde.«
    Der angesprochene Gelehrte wäre gern vor Scham im Erdboden versunken, doch entgingen ihm nicht die plötzlich leuchtenden Blicke der Umstehenden, die eine Minute vorher nur mürrische Feindseligkeit gezeigt hatten. Das vermeintliche Strafessen des Doktor Paracelsus eröffnete auf einen Schlag ganz andere Perspektiven. So empfanden es offensichtlich auch die meisten Damen, die genauso aufgeregt blickten wie die Männer. Anna Lucretia spürte eine noch nie gekannte Eifersucht, gegen die sie mit Macht ankämpfte. Sie wusste doch, dass Johann Albrecht in Italien kein klösterliches Leben geführt hatte. Verzweifelt bemühte sie ihren politischen Kopf: Alles war gut, was der Gesundheit ihres Vaters diente und ihrem Verlobten weniger Hass entgegenbrachte. Mit diesem Gedanken im Kopf blickte sie zu Sabina. Die Herzogin sah, erstaunlicherweise genau wie Leonhard von Eck, konsterniert aus. Anna Lucretia lächelte sie

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