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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
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und schüttelte ihn so fest wie nur möglich. Spürte der Mann das überhaupt? Er fühlte sich an wie ein bebender Berg. Sie schrie ihn an.
    »Meister Niklas, Baumeister! Beruhigt Euch! Hört auf! Ihr tut mir weh und ich verstehe nichts. Was ist mit Euch? Lasst mich los!«
    Endlich sah er sie an, erschrak über die eigene Unverschämtheit und ließ von ihr ab.
    »Gott, was mache ich? Verzeiht, gnädiges Fräulein! Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Was soll ich bloß machen?«
    »Setzt Euch auf die Bank neben mich, Meister Niklas, und erklärt mir in aller Ruhe den Grund Eurer Verzweiflung. Was redet Ihr da von Schuld und Unschuld? Was hat das mit mir oder mit meinem Vater zu tun?«
    Überreiter seufzte, als ob es sein letzter Atemzug wäre. Er begann langsam zu sprechen, immer noch auf Knien vor ihr.
    »Fräulein von Leonsperg, ich muss mein Herz erleichtern, sonst werde ich noch wahnsinnig, bevor ich in die Hölle komme. Ich habe Doktor Widmannstetter geschlagen, auf dem Zwingerweg, nach dem Streit in der Stadtresidenz, als er zurück wollte auf die Burg. Er war nicht betrunken. Ich war außer mir. Aber ich habe ihn nicht in die Löwengrube geworfen, das schwöre ich Euch. Wie hätte ich ihn durch den ganzen Burghof tragen können, an den Wirtschaftsgebäuden vorbei, ohne gesehen zu werden? Ich wusste nicht, ob er tot war oder nicht. Es war mir gleichgültig. Ich wollte nur, dass er meine Fäuste spürt. Ich weiß nicht, wer ihn gefunden hat, wer ihn in die Löwengrube geworfen hat und warum.«
    Anna Lucretia wurde schwindlig.
    »Was soll ich dazu sagen, Baumeister? Es ist grausam, was Ihr mir da erzählt, aber warum tut Ihr das? Was hat das mit meiner Bitte zu tun?«
    »Das ist nur der Anfang, wartet!« Überreiter weinte wieder. »Ich war entsetzt, als ich hörte, er sei in der Löwengrube gefunden worden. Ich wusste nicht weiter. Wie ich mich rausgewunden habe, wisst Ihr ja.«
    Anna Lucretia schüttelte fassungslos den Kopf.
    »Eine so dreiste, kaltblütige Lüge! Allein deshalb verdient Ihr die Hölle.«
    Überreiter weinte noch heftiger.
    »Glaubt mir, ehrenwertes Fräulein, das Reich der Finsternis ist schnell über mich gekommen.« Dann berichtete er ihr von der Erpressung durch den Soßenkoch und von seinen inneren Kämpfen. Nur die Besuche der Kärglerin verschwieg er. Anna Lucretia traute ihren Ohren nicht. »Ich habe es nicht getan, gnädiges Fräulein, das müsst Ihr mir glauben! Ich konnte es nicht. Die Dose habe ich noch immer. Sie ist voll. Ich kann sie Euch zeigen. Ich gebe sie Euch, wenn Ihr wollt. Ich bin kein Mörder. Ich habe gesündigt, bin in Versuchung gekommen, aber ich verstoße nicht gegen das fünfte Gebot. Glaubt mir bitte! Um Himmels willen!«
    Anna Lucretia hätte würgen können, so sehr ekelte sie sich vor diesem weinenden Riesen, beherrschte aber mit aller Kraft ihre Wut, ihre Angst und ihren Abscheu. Eine Tür hatte sich in der Dunkelheit vor ihr aufgetan. Das Ende musste die Mittel heiligen. Sie legte ihre unmerklich zitternde Hand auf seinen breiten Arm.
    »Ich glaube Euch, Baumeister. Ich bin dankbar für Euer Geständnis. Es hat gewiss Eure sündige Seele gereinigt und ihr den Weg zu aufrichtiger Reue eröffnet. Ich irre also nicht: Es sind dunkle Kräfte am Werke, die gegen meinen Vater arbeiten. Meint Ihr, Doktor Widmannstetter ist ein Teil von ihnen? Wer steckt hinter dem Soßenkoch? Hat der Langhahn Euch überhaupt die Wahrheit über seine Gründe mitgeteilt?«
    Überreiter schüttelte hilflos den Kopf.
    »Woher soll ich das wissen, verehrtes Fräulein? Mehrmals habe ich Euch vor Eurer Verlobung berichtet, was man sich über Widmannstetter zuträgt. Die Duelle in Italien und dieser Prozess in Rom wegen einer Betrügerei sind sicher wahr.«
    Anna Lucretias Herz schlug heftig. Prozess in Rom? Davon hatte Johann Albrecht ihr nie erzählt. Warum nur musste sie immer wieder zweifeln? Würde sie denn nie festen Boden unter ihren Füßen spüren? War das der Preis für das Ende ihrer Kindheit? Überreiter bemerkte ihre Ratlosigkeit.
    »Es tut mir aufrichtig leid, Fräulein von Leonsperg. Ihr könnt nicht sagen, ich hätte Euch nicht gewarnt.«
    Anna Lucretia biss sich auf die Zunge. Sie schmeckte Blut in ihrem Mund.
    »Redet nur weiter, Baumeister!«
    »Jedenfalls behauptete der Soßenkoch, Widmannstetter mit dieser Scheinvergiftung entfernen zu wollen. Ich verstehe nichts mehr. Ich habe es nicht getan und der Herzog wurde trotzdem, wie mir scheint, das Opfer einer

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