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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
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unter der Folter gesteht? Ich sage Nein. Das kann man nicht. Also müssen wir auf andere Weise mehr erfahren. Der Bote aus Württemberg ist tot, unser Bote zu Herzog Christoph kommt nicht zurück. Ein Giftanschlag auf unseren gnädigen Herzog, ein versuchter Mord an mir. Erpressung und Verrat. Ja, Hoheit, Verrat! Denn der Brief aus München, der meine Entlassung und die Rückkehr der Herzogin nach Stuttgart verlangt, kann nur durch Verrat so schnell hier angekommen sein. Ich biete jedem eine Wette an: Übermorgen kommt wieder ein Brief aus München, der aus denselben Gründen dasselbe fordert. Ein Feind weilt unter uns. Diesmal müssen wir klüger und listiger sein als der, der unser aller Verderben will.«
    »Genau, Doktor!«, pflichtete Sabina ihm entschieden bei. »Ich ahne, was Ihr vorhabt.«
    »Was er vorhat?« Anna Lucretia zitterte plötzlich am ganzen Körper. »Was soll er vorhaben, Tante? Oh Gott, Johann Albrecht, was meint sie?«
    Sabina lächelte kalt.
    »Du hast den ersten Satz gesprochen, Kind, dein Verlobter spricht den zweiten aus. Ihr seid ein wunderbares Paar.«
    »Ein wunderbares Paar? Wir werden niemals ein Paar sein, wenn er tut, was ich befürchte!«
    Anna Lucretias Augen füllten sich mit Tränen.
    »Verzeih mir, Liebste!«, flehte Widmannstetter sie an. »Es ist der einzige Weg. Noch diese Nacht verlasse ich Landshut. Für alle außer den in diesem Raum Versammelten wird es heißen, der Herzog habe mich davongejagt, die Verlobung sei aufgelöst. Wie vom Münchner Hof verlangt. Gleichzeitig wird die Herzogin ihre Rückkehr nach Württemberg ankündigen für den Tag nach Heilige Drei Könige. Ihro Durchlaucht werden darüber Trauer zeigen, oft weinen und Euren Mägden befehlen, die nötigen Reisevorbereitungen zu treffen.«
    Schwungvoll erhob sich Sabina und klopfte dem zierlichen Johann Albrecht jubilierend auf die hängenden Schultern. So vertraulich hatte Anna Lucretia ihre Tante noch nie gesehen.
    »Bei allen Heiligen, Doktor Widmannstetter, warum diese traurige Miene? Die Engel sprechen aus Eurem Mund. Der Verräter wird sich sicher fühlen. Vielleicht fangen wir ihn dadurch? Währenddessen reitet Ihr insgeheim nach Württemberg, sucht Herzog Christoph auf, damit wir endlich verstehen, was sich hier abspielt. Ein kluger Plan, ein listiger Plan! Ich schreibe sofort einen Brief an meinen Sohn für Euch. Wunderbar! Ich gratuliere dir, mein Kind. Was für ein Paar ihr doch seid! Ludwig, so verfahren wir, nicht wahr?«
    Anna Lucretias letzte Hoffnung erlosch, als sie die Begeisterung in den Augen ihres Vaters erkannte; auch Weißenfelder schien überzeugt. »Bin ich die Einzige, die versteht? Das darf doch nicht wahr sein!« Niemand bemerkte ihre inneren Kämpfe. Ludwig und Weißenfelder regelten die Festnahme des Soßenkochs sowie die diskrete Beobachtung Überreiters, Sabina gab Widmannstetter Instruktionen, wie er sich zu verhalten habe – doch Anna Lucretia hatte das Gefühl, dem eigenen Leben beim Ertrinken zuzusehen. Ajax und Leda, die zwei spanischen Windhunde, schmiegten sich an ihre Beine. Das bereitete ihr zusätzliche Pein, denn nur die Hunde schienen zu spüren, wie ihr zumute war. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und bat ihren Vater, auf die Trausnitz zurückkehren zu dürfen. In Gedanken bei der Arretierung Langhahns stimmte er zu. Sie verließ allein den Raum.

17

    Anna Lucretia verließ die Stadtresidenz durch das Haupttor, wandte sich nach rechts und lief in Richtung der Burg. Sie war erleichtert, dass niemand daran gedacht hatte, ihr eine Magd als Begleitung aufzuzwingen. Die Kälte am dunklen Spätnachmittag verspürte sie nicht, das aufgeregte Treiben in der Stadt bemerkte sie ebenso wenig. Der Thomastag, der der längsten Nacht des Jahres vorangeht, nahte. Das war der letzte Tag, an dem die schwere, fette Mettensau geschlachtet werden durfte. In manchem Hinterhof grunzte und quiekte es noch schrill. Es war höchste Zeit, wollte man zum Fest gerüstet sein. Schinken, Speck, Blut- und Leberwürste, ›Weihnachter‹ genannt, konnten noch eine Weile im Rauch hängen. Einige würden den Armen geschenkt, die meisten am Ende des Winters oder während des Frühlings auf den Tisch kommen. Für die zwölf Rautage aber, die Tage und Nächte von Weihnachten bis Heilige Drei Könige, brauchte man viel Braten, Kesselfleisch und Würste, um mit reichlich Mettensuppe und frischgebackenem Brot die Familie, Paten, ärmere Verwandte, Nachbarn, Sternsinger, Anklopfer und Frauentrager

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