Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
Enkelin der verstorbenen Herzogin Margarete von Bayern. Er wusste, dass Sabina Anna Lucretias Meinung teilte. Allzu gern hätte er ihre Argumente widerlegt oder wenigstens verharmlost. Ein Blick zu Weißenfelder zeigte Ludwig, dass auch seinem gelehrten Rat kein Gegenargument mehr einfiel. Er, der Landshuter Herzog, das Opfer eines Giftanschlags! Er seufzte tief.
»Wenigstens war mein Unwohlsein gestern keine Vergiftung.«
Sabina kannte ihren Bruder gut genug, um seinen Gedanken zu folgen. Sie tröstete ihn, während nun Anna Lucretia völlig überrascht mit offenem Mund dastand.
»Gott sei Dank, mein Bruder, das können wir ausschließen. Die Diät schwächt Euch nicht. Ihr habt Euch einfach zu sehr verausgabt für einen Mann, der, mit Verlaub, nicht mehr der Jüngste ist und sich von einer langen Krankheit noch nicht vollständig erholt hatte. Ihr werdet das Fräulein von Weichs beruhigen und beim nächsten Besuch schonender behandeln. Nun zu dir, mein Kind. Dein kluger Kopf hat dich vielleicht auf die richtige Spur geführt. Doch wer sagt uns, dass Überreiter den Langhahn nicht belastet, um seinen eigenen Hals zu retten? Meiner Meinung nach müssen beide verhaftet und eingekerkert werden. Denn der Baumeister hat zugegeben, Widmannstetter übel zugerichtet zu haben. Das zeugt von seiner schwarzen Seele. Der Langhahn dagegen hat sich bisher nichts zuschulden kommen lassen.«
Anna Lucretia empfand wieder stark ihre Hilflosigkeit.
»Nein, Tante, der Baumeister war völlig verzweifelt. Er hat die Wahrheit gesprochen.«
»Nun, warum wohl, Kind? Welches Lied hast du ihm gesungen, dass er dir sein Herz so weit öffnet?«
Anna Lucretias Blut gefror. Großer Gott! Sie denkt, ich bin zu allem fähig und … und … sie hat recht. In jenem Augenblick war ich zu allem bereit. Und jetzt muss ich wohl weiter zu allem bereit sein, sonst merken sie noch, dass ich die Hölle vor mir sehe. Sie schaffte es, kühl, ja fast verächtlich zu antworten.
»Was für ein Lied hätte ich ihm singen sollen, Tante? Sein schlechtes Gewissen lastete wie Blei auf seiner Seele. Er hat sich mir anvertraut, weil ich versprochen habe, sein Vertrauen nicht zu missbrauchen. Ich hatte vor, kein Wort darüber zu verlieren, bis ich klarer sehe. Das war unmöglich, aber mein Wort halte ich.«
»Dein Wort? Sei nicht anmaßend, Fräulein! Bei Mord gilt kein Versprechen.«
Sabina war bleich vor Wut. Weißenfelder sah sich gezwungen, einzuschreiten.
»Hoheit, Ihro Durchlaucht, erlaubt mir! Wir haben keinen Beweis, aber auch mir scheint, der Baumeister hat die Wahrheit gesagt. Er hat sich selbst schwer belastet. Für den Angriff auf Doktor Widmannstetter könnte er zum Tod verurteilt werden. Wir alle kennen ihn gut genug, so glaube ich, um zu wissen, dass er tatsächlich furchtbar gequält gewesen sein muss. Von Langhahn wissen wir nur, dass er bei der Löwengrube war, wo er nichts zu suchen hatte, auch wenn er Doktor Widmannstetter das Leben gerettet hat. Ich möchte so vorgehen: Langhahn schon heute verhaften, Überreiter aber unauffällig beobachten lassen. Sein Verhalten bei der Arretierung des Soßenkochs kann aufschlussreich sein. Erlaubt Ihr mir, Hoheit, so zu verfahren?«
Zu Anna Lucretias großer Erleichterung stimmte Ludwig sofort zu. Auch Sabina nickte. Sie glaubte schon, endgültig aufatmen zu dürfen, als Johann Albrecht, der bisher geschwiegen hatte, das Wort ergriff.
»Hoheit, Durchlaucht, liebste Anna Lucretia! Dabei können wir es nicht belassen.«
Flehentlich sah er zu seiner Verlobten. Nun erst bemerkte sie, wie blass und unruhig er war. Rede nicht! Bitte rede nicht!, betete sie mit Angst im Bauch und wusste doch, ihr Gebet würde vergeblich sein. Die Geister, die sie beschworen hatte, ließen sie nicht mehr los. Ludwig hätte in dieser Angelegenheit lieber nichts mehr vernommen, aber Sabina wurde so schnell hellhörig, dass er wohl oder übel anhören musste, was der Gelehrte zu sagen hatte. Hofrat Weißenfelder beugte sich interessiert vor.
»Dabei können wir es nicht belassen, Hoheit. Es ist zu viel geschehen, was dringend der Aufklärung bedarf. Was werden wir vom Soßenkoch denn erfahren? Vorausgesetzt, er redet. Denn ich fürchte, er wird nichts sagen oder doch viel zu wenig. Er wird den Baumeister belasten, der Baumeister wird ihn belasten … und es spielt keine Rolle, ob wir dem Baumeister trauen oder nicht. Wird der Langhahn aber peinlich befragt, so wird er alles Mögliche gestehen. Kann man einem vertrauen, der
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