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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
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wie Essig im direkten Vergleich, erschien aber honigsüß, trank man ihn neben einem Münchner Claret. Alle liebten ihn, niemand war je davon krank geworden. Der Malvasier, das Moretum, seltene Köstlichkeiten, die – abgesehen vom Honig – bestimmt keinerlei mörderische Zusätze enthielten. Genau das dachte auch Anna Lucretia, die sie mit verweinten Augen anblickte.
    »Wir richten nichts aus, Tante. Wir finden nichts. Aber es wird etwas geschehen.«
    Sabina bekreuzigte sich, küsste den silbernen Christus an ihrem Rosenkranz und schwieg beunruhigt.

24

    Schon kurze Zeit nach dem weihnachtlichen Festmahl fühlte sich Herzog Ludwig plötzlich matt, obwohl er keine süßen Speisen angerührt und auch am Brombeerwein nur genippt hatte. Am Abend desselben Tages nahm er nur eine Brühe zu sich und schlief danach ungewöhnlich lang. Am nächsten Tag, an Stephani, war ihm schon nach der Morgensuppe übel. Beim großen Gottesdienst in Sankt Martin erschrak Ursula von Weichs, als sie ihren Geliebten erblickte. Er hielt sich nur noch mit Mühe auf den Beinen, kippte beim Knien zur Seite auf den Boden und kam nicht wieder hoch. Während der Prior vergeblich versuchte, seine Predigt zu Ende zu bringen und schließlich abbrechen musste, versperrte die neugierige Menge an Landshutern der Herzogin den Weg zu ihrem Bruder.
    »Was habt Ihr vor?«, rief sie entsetzt. »Wollt Ihr Euren Fürsten hier sterben lassen?«
    Urban Kreidenweis, der eine von zwei Landshuter Bürgermeistern, und Weißenfelder mit zwei weiteren Hofräten bahnten Sabina schließlich einen Weg durch die Menge. Kreidenweis, ein imposanter, bärtiger Mann im langen Pelzmantel, redete als Erster.
    »Ich kenne schlechtere Orte zum Sterben, Durchlaucht. Wenn wir den Herzog aus unserer Kirche hinaustragen müssen, dann auf keinen Fall auf die Burg hinauf. Er war gesund, bis er vorgestern zurück auf die Trausnitz ging. Jetzt bleibt er bei uns in der neuen Residenz, dafür sorgen wir.«
    Alles in Sabina empörte sich gegen diesen bestimmten Ton, diese unerhörte Frechheit, die sich Kreidenweis herausnahm.
    »Lasst bitte, Tante«, flüsterte Anna Lucretia ihr ins Ohr. »Wir haben keine Wahl. Es scheint mir das Beste, was geschehen kann. Ich flehe Euch an.«
    Mühsam beherrschte sich Sabina. Sie sah wohl, dass auch die Hofräte die Ansicht des Bürgermeisters unterstützten – abgesehen davon, dass sie das Gleiche angeordnet hätte, wäre sie nicht so angeherrscht worden. Während Ludwig in die neue Residenz getragen wurde, erspähte Anna Lucretia Niklas Überreiter in der Gruppe der Hofkünstler. Er sah schlechter aus als der Herzog, aschgrau vor Angst. Er suchte verzweifelt ihren Blick, doch sie sah zur Seite.
    Was kann jetzt noch helfen?, dachte sie bitter.
    Von Stephani an floss die Zeit zäh dahin. Vor der neuen Residenz wachten Tag und Nacht von den Bürgermeistern ausgewählte, bewaffnete Bürger zusätzlich zu den herzoglichen Wachen. Jeden Tag kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Leuten der Stadt und solchen der Trausnitz, wobei die Städter die Bewohner der Burg bezichtigten, ihren geliebten Herzog umbringen zu wollen. Am Winter-Johanni [4] verweigerten die Landshuter Bürger den Burgbewohnern die allseits beliebte gemeinsame Johannisminne, bei der man sich bei einem Glas Wein oder Most gegenseitig Glück und Segen wünschte. Der in Sankt Martin gesegnete Johanniswein wurde in diesem Jahr 1541 ausschließlich in die städtischen Weinfässer gegossen. Der neue Weinkeller bekam von dem wundersamen Getränk nichts ab.
    Anna Lucretia verließ die Stadtresidenz nur selten. Wozu auch und wofür? Es war zum Verzweifeln. Kaum kochte ausschließlich Soldani für ihn, fühlte sich ihr Vater tatsächlich ungleich besser. Die Ungewissheit, der Verdacht und die Angst lasteten trotzdem genauso schwer auf dem Herzog wie auf Sabina und seiner Tochter. Den Gedanken, am eigenen Hof in Lebensgefahr zu sein und in der Stadtresidenz quasi gefangen, ertrug Ludwig nur schwer. Anna Lucretias Verzweiflung wuchs ins Unermessliche, als ihr am nächsten Tag, dem sogenannten Unschuldige-Kindel-Tag, bewusst wurde, dass ihre Monatsblutung überfällig war. Sie weinte nicht, aber sie wurde schweigsam. Noch hatte sie Glück im Unglück. Auf der Trausnitz, umgeben von unzähligen Damen, Mägden und Wäscherinnen, wäre das Ausbleiben sofort bemerkt worden. Keine Frau, ob Adelige oder Angehörige des Gesindes, konnte das verheimlichen. Sie tröstete sich mit finsterer Gleichgültigkeit. Es

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