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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
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schien ihr sowieso alles verloren.
    Für Sabina verging die Zeit erschreckend schnell. Was würde nach dem Dreikönigstag mit ihr geschehen, wenn weder Widmannstetter noch irgendeine Nachricht aus Württemberg kam? Doch die Herzogin zeigte erstaunlich viel Zuversicht.
    »Es muss einfach etwas passieren«, versicherte sie ihrer Nichte. »Wenn der Wolf keine Beute im Wald findet und das Schaf im Stall ist, dann muss der Wolf den Wald verlassen. Wenn es ihn gibt, dann ist er jetzt hungrig. Ein Wolf mit knurrendem Magen bleibt nicht unsichtbar.«
    Anna Lucretia fragte sich, ob man sich das wünschen solle. Ein ausgehungerter Wolf machte Beute oder er wurde erlegt. Blutig war es auf jeden Fall. Es war ein großer Unterschied, ob man Schlimmes befürchtete oder es erlebte, ob man Blutvergießen fürchtete oder Blut floss. Das wurde ihr schlagartig bewusst.
    Am Silvesterabend feierte die ganze Stadt. Jedermann versuchte, beim Bleigießen, Pantoffelwerfen oder beim Schifferspiel sein Schicksal im nächsten Jahr zu ergründen oder zu bestimmen. Lang vor Mitternacht kamen von überallher Buben auf Steckenpferden angeritten – vermummt und angemalt, manchmal sogar als Hexen verkleidet. Sie wünschten ein gutes neues Jahr, um nach dem Singen ihrer Lieder und dem Rezitieren ihrer Verse milde Gaben in Form von Würsten, Geselchtem oder allerlei Gebäck einzusammeln. Sie gingen nicht zimperlich vor und taten recht übermütig, ja ihrer Beute sicher, denn sie wussten nur allzu gut, dass die Spender einen glücklichen Ausgang des alten Jahres auf keinen Fall gefährden wollten.
    In der Stadt floss der Gewürzwein in Strömen, in der Stadtresidenz aber nur spärlich, da jede Feierlichkeit den Herzog in Gefahr zu bringen schien. Etwas geistesabwesend spielte Ludwig Schach mit seiner Schwester und wartete auf den Moment, Ursula zum Neuen Jahr begrüßen zu gehen.
    Anna Lucretia grübelte am Kamin zutiefst betrübt, die Windhunde zu ihren Füßen. Sie trug ein Kind, das schon keinen Vater mehr zu haben schien – abgesehen davon, dass sie sich niemals vor Gott und den Menschen zu diesem Mann würde bekennen können. Früher oder später würden ihr Vater durch Mörderhand sterben und ihre Tante von ihrem Ehemann umgebracht werden. Dann entschieden ihr feindliche oder gleichgültige Verwandte über ihr weiteres Schicksal – und das ihres Kindes. Für sie ein Kloster, für das Kind die Verbannung bei einer fremden Familie. Also den fast sicheren Tod …
    Kurz vor Mitternacht stürmte plötzlich eine völlig aufgelöste Ursula von Weichs aus dem geheimen Gang in die Fürstenstube. Sie zitterte am ganzen Körper. Ihre Kleidung war blutverschmiert.
    »Ludwig, Ihr müsst sofort kommen!«
    Der Herzog, seine Schwester und Anna Lucretia stellten keine Fragen. Die Mätresse hätte sich niemals erlaubt, grundlos und ohne gerufen worden zu sein, hier einzudringen. Zu viert liefen sie durch den Geheimgang, gefolgt von Ludwigs zwei Windhunden.
    Anna Lucretia zitterte vor Angst und Hoffnung. Der Anblick in Ursulas Wohnstube zerriss ihr förmlich das Herz. Überall Blutspuren und auf dem Scherensessel neben dem Kachelofen ein leichenblasser, schmerzgekrümmter Johann Albrecht, der jeden Augenblick seinen letzten Atemzug auszuhauchen schien. Sie stürzte zu Johann Albrecht. Er lächelte sie hilflos an … und verlor das Bewusstsein. Sie schrie laut auf.
    »Er stirbt! Oh Gott, wir müssen ihm helfen! Was hat er nur? Wo ist er verletzt? Wo kommt dieses viele Blut her?«
    Sabina presste ihre Hand hart auf den Mund der Nichte.
    »Willst du die ganze Stadt herrufen? Kein Wort! Ludwig, bring die Hunde raus! Ich kümmere mich um ihn. Anna Lucretia, hol sofort gewürzten Wein!«
    Wie oft würde sie das noch erleben müssen? Vor Ursulas Auftauchen hatte sie gedacht, keinen größeren Schmerz verspüren zu können. Jetzt wusste sie es besser. Johann Al-brecht hatte in der Hofküche nach dem Löwenangriff gesünder ausgesehen als nun in diesem Haus, in dem sie schon beinahe den Tod ihres Vaters erlebt hatte. Sie lief in die Residenz zurück, um den Gewürzwein zu holen. Ludwig, der mit eiserner Hand Ajax und Leda mitzog, folgte ihr. Vor der Fürstenstube warteten neugierig und alarmiert zugleich Soldani und einige Diener der herzoglichen Familie. Noch bevor sie eine einzige Frage stellen konnten, beruhigte sie der Herzog.
    »Fräulein von Weichs hat völlig überraschend eine Frauenverletzung erlitten und sich darüber erschrocken.« Er log, ohne mit der Wimper

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