Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
nieder. Die Herzogin, obwohl grenzenlos überrascht, sprach nur sehr leise.
»Fräulein von Weichs, bekamt ihr die Ambra von Eck? Warum habt Ihr uns das nicht erzählt? Was hat er Euch versprochen? Was ist zwischen Euch geschehen?«
Verschämt gestand Ursula, was sich in ihrem Haus vor und nach dem Weinfest ereignet hatte: Ecks überraschendes Erscheinen, als sie daran zweifelte, Ludwig je wiederzusehen; seine guten Gründe, sich nun für eine Heirat Ludwigs mit ihr einzusetzen; seine willkommene Hilfe in einem Augenblick, in dem für sie alles verloren schien; ihr gemeinsames Misstrauen gegen die Paracelsusdiät und deren Befürworter.
»Doch was vermutet Ihr jetzt, Durchlaucht, dass Ihr so entsetzt seid? Der Hofrat jagt allen Angst ein. Das kann er gar nicht anders. Er ahnt bestimmt, dass Doktor Widmannstetter sich bei mir befindet. Doch bei mir hat er ihn nicht gefunden. Er wird nicht wiederkommen, da bin ich mir sicher.«
Die Herzogin ergriff Ursulas Hand und sprach ganz sanft zu ihr.
»Fräulein Ursula, Eck hat Euch schamlos belogen. Bei seinem ersten Besuch und auch heute. Er setzt sich schon lang ein für eine Ehe zwischen Euch und Ludwig. Das ist nicht neu. Es wäre ihm tausendmal lieber, Euer Geliebter würde kinderlos sterben oder wenigstens nur nicht erbberechtigte Kinder zeugen. Die geteilte Herrschaft in Bayern ist ihm verhasst. Er hält sie für eine gefährliche Schwäche und arbeitet auf den Tag hin, an dem nur noch sein Herzog im Land herrschen wird. Ginge es nach ihm, so wärt Ihr schon längst Ludwigs Ehefrau. Doch mein Bruder Wilhelm ist dagegen und ich auch, wie ich Euch leider sagen muss. Wir wollten stets für Euren Geliebten eine standesgemäße Gattin und haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ich weiß, ich füge Euch großen Schmerz zu, was ich in diesem Moment zutiefst bedaure, doch es ist die Wahrheit. Hofrat Weißenfelder kann es Euch bestätigen genauso wie Doktor Widmannstetter, der selbst mit meinem Bruder Ludwig darüber gesprochen hat.«
Ursula war leichenblass geworden, ihre Zähne klapperten, obwohl sie noch immer unter ihren Decken lag.
»Aber, Ihro Durchlaucht, warum? Warum bloß? Warum spielt Ihr so mit mir?«
»Hat Eck etwas von Euch gefordert? So wie er jetzt verlangt, dass Ihr Doktor Widmannstetter verraten sollt? Hat er Euch gebeten, ihm über die Vorkommnisse in Landshut zu berichten? Seid Ihr es, die den Münchner Hof über die Vergiftung des Herzogs beim Weinfest informiert hat?«
»Nein, nichts. Er hat nichts verlangt. Ich habe bis heute keinen weiteren Kontakt zu ihm gehabt. Er hat mir damals die Ambra gegeben und ausführlich erklärt, wie ich sie benutzen soll.«
Sabina legte die Hand auf ihre pochende Stirn. Tiefe Falten zeichneten sich zu beiden Seiten ihres Mundes ab.
»Dann stimmt etwas nicht mit der Ambra. Das muss es sein. Habt Ihr selbst vom Ambrawein oder der Brühe zu Euch genommen, Fräulein Ursula?«
»Nein, Durchlaucht, es war allein für den Herzog bestimmt.«
»Zeigt mir bitte die Dose!«
Ursula wollte aufstehen, doch ihre Beine trugen sie kaum. Sie bat Anna Lucretia darum, die Horndose aus dem Tücherfach ihres Brunnenschranks zu holen, was diese sofort tat. Sabina untersuchte ihren Inhalt sorgfältig.
»Diese Substanz ist aschgrau, wie Ambra sein soll; auch wachsartig, wie sie sein soll. Sie riecht eindeutig wie sehr gute Ambra. Die Sprenkel scheinen mir etwas seltsam, die weißen Punkte eine Spur zu hell, die schwarzen ein wenig zu dunkel. Kind, sag der Magd, wir benötigen eine Schüssel mit Wasser!«
Als diese vor ihr stand, warf Sabina das Stück Ambra hinein. Es schwamm an der Oberfläche.
»Auch wie es sein soll.«
Sie entnahm es wieder, fischte aus dem Kamin mithilfe eines Zinntellers etwas Glut und legte ein kleines Stückchen darauf. Eine Duftwolke erfüllte die Schlafstube – so penetrant, dass sich sogar Widmannstetter in der Kammer daneben laut wunderte.
»Auch wie es sein soll«, ärgerte sich Sabina leise. »Es bleibt nicht viel, was ich noch versuchen kann. Ich brauche eine Nadel oder etwas Scharfes.«
Anna Lucretia holte aus der Küche einen kleinen Eisenspieß. Die Herzogin legte ihn in die Glut und bohrte seine heiße Spitze in das Stück Ambra. Es traten zwei dicke, ölige, stark riechende Tropfen aus. Sabina versteifte sich.
»Rötlich! Eigentlich sollten sie farblos sein. Ich werde davon probieren.«
Ursula und Anna Lucretia reagierten entsetzt.
»Nein, bitte nicht! Das ist riskant.«
Die alte Frau
Weitere Kostenlose Bücher