Süßes Spiel der Sehnsucht
schüttelte den Kopf. »Nein, bedaure. Ich empfange heute wieder die Händler, und anschließend werde ich um ein Uhr im Institut erwartet. Aber du wirst deinen Ausritt gewiss auch ohne mich genießen. Vielleicht könntest du dann gegen halb vier in die Schule kommen. Dann führe ich dich vor dem Tee noch ein wenig herum. «
»Bis dahin werde ich die Minuten zählen«, erwiderte Marcus resigniert.
Nachdem sie Marcus' Werben fürs Erste aufgeschoben hatte, verbrachte Arabella einen geschäftigen Morgen mit der Planung für das Erdgeschoss des Herrenhauses. Als sie später zu den Stallungen kam, um in ihrem kleinen zweirädrigen Wagen zum Institut zu fahren, wartete dort bereits die Kutsche des Earls auf sie.
Der Nachmittag schleppte sich überraschend langsam dahin. Zu ihrer Verwunderung ertappte Arabella sich mehrfach dabei, wie sie aus dem Fenster sah und nach Marcus Ausschau hielt. Als seine Kutsche pünktlich auf die Minute am Haupteingang vorfuhr, ging sie mit der Schulleiterin hinaus, um ihn zu begrüßen.
»Der Herrenbesuch meldet sich zur Stelle«, sagte er, als er aus seiner Barouche stieg.
Arabella stellte ihn Miss Jane Caruthers vor, einer eleganten, unverheirateten Dame, die sich um die täglichen Verwaltungsgeschäfte des Instituts kümmerte. Ihr überließ sie auch die Führung und blieb ein paar Schritte zurück. Allerdings beobachtete sie Marcus derweil eingehend, denn aus unerklärlichen Gründen war es ihr überaus wichtig, dass ihm zusagte, was er sah.
Gänzlich unerklärlich war es natürlich nicht, denn ich sollte er zu dem Schluss kommen, dass sie und ihre Schwestern hier eine sinnvolle Arbeit verrichteten, hätte er keine Einwände gegen ihr weiteres Unterrichten. Nur war seine formelle Erlaubnis weniger wichtig als seine persönliche Anerkennung. Das Institut war Arabellas Idee gewesen, ihr ganzer Stolz und ihre Freude, und sie wollte, dass Marcus begriff, wie viel es ihr bedeutete.
Die Schule bestand aus mehreren Gebäuden, welche die Schülerinnen auf unterschiedliche Erlebnisse in der Welt der gehobenen Gesellschaft vorbereiten sollten. Unterrichtet wurde zumeist im Hauptgebäude, einem großen Herrenhaus, wie es viele Adlige als Landsitz unterhalten. Daneben gab es ein Gebäude, das den klassischen Stadthäusern der Londoner Oberschicht entsprach. Außerdem verfügte das Institut über einen großen Stall und Park, damit die Schülerinnen auch auf alle Aktivitäten im Freien vorbereitet wurden, sowie ein Wohnhaus, in dem die Mädchen untergebracht waren. Die meisten Schülerinnen lebten bis auf die Sommermonate im Institut. Im Sommer hingegen waren sie, mit Ausnahme einiger weniger, bei ihren Familien.
Arabella konnte nicht umhin zu jubilieren, als Marcus zum Ende der Führung alles lobte, was er gesehen hatte.
»Eindrucksvoll«, konstatierte er ernst. »Jetzt verstehe ich, warum die Kaufleute ihre Töchter herschicken.«
Sie lächelte erfreut. »Dank Lady Freemantles Großzügigkeit konnten wir alles vortrefflich einrichten. Allerdings schätzen die Eltern unserer Schülerinnen vor allem die Ausbildung, die ihren Töchtern hier zuteil wird. Komm, sieh es dir selbst an.«
Als sie ins »Londoner« Haus zurückkehrten, führte Arabella ihn nach oben in einen großen Salon, wo er sofort von zwei Dutzend jungen Damen in Nachmittagskleidung beäugt wurde.
Miss Tess Blanchard stand höflich lächelnd auf, um ihn zu begrüßen. Als Marcus sich über ihre Hand beugte, trat Arabella vor und sagte zu den Schülerinnen: »Meine Damen, zu meiner Freude darf ich Ihnen heute etwas ganz Besonderes b ieten. Lord Danvers war so gütig heute zu uns zu kommen, damit wir mit ihm üben können, wie man Herrenbesuch angemessen empfängt. Wir widmen uns insbesondere dem eleganten Servieren von Tee sowie der gepflegten Konversation. Miss Blanchard hat bereits alles arrangiert, also nehmen Sie bitte Ihre Plätze ein, dann können wir beginnen.«
Die Mädchen sollten jeweils in Sechsergruppen mit dem Earl Tee einnehmen, während die Übrigen zusahen. Bei den Teeservicen und den Platten mit Scones, Teekuchen und winzigen Sandwiches standen Bedienstete. Als Arabella und Tess sich mit der ersten Gruppe gesetzt hatten, meldete ein »Butler« Marcus an und führte ihn herein.
Im Verlauf der nun folgenden Stunde musste Arabella unweigerlich über seine Tapferkeit staunen. Manche der Mädchen waren unendlich schüchtern, andere erschreckend dreist, aber Marcus ertrug es mit wunderbarer Gelassenheit. Die
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