Sukkubus - 03 - Kopfüber ins Fegefeuer
den Schultern, grober als beabsichtigt. »Hat er dich verletzt?«
»Mir geht’s gut«, sagte sie, aber ihr Atem und ihre Haltung verrieten, dass sie log.
»Sieh zu, dass du hier wegkommst! Ruf die Polizei!«
»Ich lass dich hier nicht im Stich.« Ihr Tonfall duldete keinen Widerspruch; ihre Augen blitzten vor Wut.
Weitere verhexte Menschen kamen auf uns zu; einige trugen behelfsmäßige Waffen wie Äste und Steine, andere hatten ihre Krawatten und Gürtel abgenommen und schienen fest entschlossen, uns zu strangulieren.
Ich konnte nicht gleichzeitig die Menschen und den Begehrer angreifen und Virginia beschützen.
»Bitte«, sagte ich, »lauf weg.«
»Nein.«
Keine Zeit.
Ich ließ eine ihrer Schultern los und richtete meine Hand auf die Flutwelle von Menschen, die auf uns zurollte. Hoch in die Luft zielend, setzte ich meine Macht mit einem Lichtblitz frei. Meine Magie durchdrang das Blendwerk des Begehrers und ließ unsere Angreifer innehalten, verwirrt blinzelnd. Der Dämon fluchte erbost und richtete seine Macht auf die Gruppe von Sterblichen.
»Don«, hauchte Virginia.
Uns blieben circa zehn Sekunden, ehe seine Magie wirken würde. Ich konnte mich mit Virginia im Schlepptau nicht einfach dematerialisieren; sterbliche Körper überlebten den Sphärenwechsel nicht. Wir saßen in der Falle.
Sie flüsterte: »Was hast du …«
»Schhh.« Ich berührte ihr Gesicht, sah ihre weit aufgerissen Augen, die glasig waren vor Verwirrung und Angst. »Alles in Ordnung«, sagte ich, während ich ihr über die Wange strich. Ich musste sie beschützen. »Es ist alles nur ein Traum, Virginia. Schlaf wieder ein.«
Ihre Lippen öffneten sich, und ihr Widerspruch nahm bereits Gestalt an, aber ich umspülte sie mit meiner Macht, strich ihr mit einem Finger über die Stirn und wiederholte meine Aufforderung: Schlaf ein.
Sie sackte in meinen Armen zusammen, bewusstlos.
Ich ließ ihren Körper zu Boden sinken, legte ihn behutsam ab. Ich wusste nicht, wie lange die Wirkung meiner Magie anhalten würde – heilige Hölle, eigentlich hätte sie überhaupt nicht wirken dürfen. Aber solange sie schlief, brauchte ich mir um ihre Sicherheit keine Sorgen zu machen. Ich berührte ihre Stirn und versicherte ihr stumm, dass alles gut werden würde.
Dann drehte ich mich um und stellte mich dem Angriff.
Sie stürzten sich auf mich – Waffen in den Händen oder die Hände als Waffen erhoben –, ihre Gesichter frei von Emotionen, frei von Gedanken. Neun Männer und Frauen, die mich entweder töten oder selbst sterben würden, und das beides, ohne zu zögern.
Ich ballte meine Macht zusammen und ließ mich so sehr von ihr erfüllen, dass ich genauso leuchten musste wie die Augen des Begehrers. Ich hätte diese Menschen ohne Weiteres pulverisieren können, aber da sie nicht bei klarem Verstand waren, würde die Hölle ihr Verscheiden als unrechtmäßig einstufen. Sprich, der daraus resultierende Papierkram würde mich bis zur nächsten Jahrhundertwende aus dem Verkehr ziehen.
Denk nach, Daunuan. Sie sind böse. Und du bist ein Dämon.
Beeinflusse sie.
Ich setzte eine Welle meiner Magie frei. Sie umspülte und überrollte die Menschen, ertränkte sie in Lust. Der Begehrer brüllte vor Wut, schleuderte ihnen erneut seine Macht entgegen, zwang sie dazu, sich der Gier zu beugen. Zwischen unseren Kräften gefangen, gerieten die Menschen ins Stocken, wankten unter dem Einfluss zweier widerstreitender Sünden, die um ihre Seelen stritten. Eine Frau brach unter der Belastung zusammen, ihr Körper ging wild zuckend zu Boden. Und wenn schon – sie waren menschliche Marionetten, nichts als Spielzeug.
Und ich war, bei Gehinnom, keineswegs bereit, mir mit einem gierigen Bastard wie ihm irgendetwas zu teilen.
Trotz der quälenden Anstrengung rief ich noch mehr Energie zusammen, weit mehr, als ich je zuvor benutzt hatte. Ich war kein Inkubus zweiter Ebene mehr, der außerhalb der Elite stand; ich war nun Teil der Elite, erste Ebene, gleichgestellt mit den Herzögen und Baronen des königlichen Gefolges. Ein Prinzeps, der schon bald Prinz der Lust sein würde.
Allein dem großen Gott Pan unterstellt.
Macht durchflutete mich, verzehrte mich, zerrüttete mich und vögelte mich. Ich fletschte die Zähne, biss sie vor Schmerz aufeinander, während ich meine Macht auf die Menschen fokussierte. Grinsend spürte ich, wie sie in ihre Körper eindrang, ihren Verstand verführte.
Der Begehrer schleuderte brüllend immer mehr Magie auf die Menschen …
Weitere Kostenlose Bücher