Sukkubus - 03 - Kopfüber ins Fegefeuer
»Was?«
»Mich.«
Kontaktaufnahme.
Meine Macht umschmeichelte sie, verführte sie. Ihr Blick wurde glasig, ihr Mund öffnete sich, und sie stieß ein winziges Geräusch aus, das wie ein000 h klang. Ihr Schutzschild war so gut wie nicht existent; ein Hauch von Magie, und sie gehörte mir.
Ich verließ den Karrieretypen und sprang auf Miss Charmebolzen über. Ihre Substanz erfasste mich, zog mich runter, übermannte mich mit ihrem Elend.
… hasse diesen beschissenen Scheißjob versaut mir mein Scheißleben kein Schwein hört mir zu bin total nutzlos und hasse sie alle alles …
Hoo. Ich sagte zu ihr: Tief durchatmen, Puppe. Ich brauche dich.
Sie hatte sich so in ihre innere Tirade verbissen, dass sie mich gar nicht hörte. Ich wiederholte die Worte, ließ sie verführerisch klingen. Schmeichlerisch. Ich brauche dich.
Diesmal hörte sie mich.
… gebraucht ich werde gebraucht sag mir was ich tun soll sag es mir ich tue alles damit ich gebraucht werde sie wissen mich nicht zu schätzen diese Arschlöcher ich hasse sie alle sie haben mich nicht verdient …
Eindeutig ein Fall von Neid. Sie hätte mir wahrscheinlich leidgetan, aber Dämonen empfanden nun mal keine albernen Gefühle wie Mitleid. Sie würde schon bekommen, was sie verdiente, wenn ihre Zeit reif war. So lief das Ganze eben ab.
»Was zum Teufel …?«
Auf der anderen Seite der Theke schüttelte der Karrieretyp verwirrt den Kopf und blickte sich um. »Wo bin ich?«
»Im Straßenverkehrsamt«, fuhr ihn einer der Wartenden an. »Wo eine ganze Reihe von Leuten vor Ihnen dran ist.«
»Aber …«
»Warten Sie, bis Sie an der Reihe sind.«
Während der Karrieretyp sich zu erinnern versuchte, wie er vom Broadway zur Wilton Mall gekommen war, erteilte ich meiner neuen Gastgeberin einen Auftrag: Ich nannte ihr Virginias Autokennzeichen und forderte sie auf, ihre Adresse hervorzuzaubern. Sie legte eine wahrhafte Kür auf der Computertastatur hin. Und ich sah fasziniert zu. Irgendwann im Laufe der nächsten Jahre musste ich mir mal eine kleine Auszeit gönnen, um meine Technikkenntnisse auf den neuesten Stand zu bringen. Das Problem war nur, dass sich in den letzten fünf Jahrzehnten so viel verändert hatte, dass ein berufstätiger Dämon kaum genügend Zeit hatte, um die wesentlichen kulturellen Veränderungen zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn die neuesten Errungenschaften auf dem Gebiet der Unterhaltungselektronik. Wenn ich erst einmal Prinz der Lust wäre, würde dies meine erste Tat werden: ein Crash-Kurs zum Thema Neue Medien. Und bis dahin würde ich einfach weiterhin Menschen beeinflussen, um das zu bekommen, was ich eben brauchte.
… hier sind sie hier …
Da erschienen sie auf dem Computerbildschirm: die Daten meiner Auserwählten. Vor- und Zuname: Virginia Heather Reed. Hübsch. Gefolgt von weiteren Informationen: ihre Adresse, eine Telefonnummer. Und noch anderes Zeug, das mich nicht interessierte.
Auf geht’s, Puppe. Lass uns einen kleinen Ausflug machen.
»Ich mache jetzt Pause«, brüllte meine Puppe.
Alle Kunden in der Schlange stöhnten, und manche stießen erlesene Flüche aus. Einer ihrer Kollegen versuchte, sie von der Idee abzubringen, aber ich hatte schließlich eine Mission zu erfüllen, daher schnappte sich meine Gastgeberin ihren Mantel und ihre Handtasche und verschwand. Sie einfach so hier rausrennen zu lassen würde sie vermutlich ihren Job kosten. Und wenn schon, auch nur eine Sache mehr, über die sie verbittert sein konnte. Draußen ging sie zu einem Auto, das der Bezeichnung »Rostlaube« alle Ehre machte. Sie entriegelte die Tür, und schon waren wir unterwegs.
Wir fuhren zu Virginias Haus, das irgendwo in der ländlichen Gegend von Wilton im Bundesstaat New York lag. Tote Bäume und gefrorene Wiesen, erstarrt in winterlicher Anmut. Das Haus meiner Auserwählten befand sich am Ende einer langen Einfahrt, ein gutes Stück von der Straße entfernt. Sie legte anscheinend Wert auf Privatsphäre. Gut zu wissen. Bevor ich meinen Wirtskörper verließ, bescherte ich ihm einen kleinen Orgasmus – meine ganz persönliche Art, mich für die Fahrt zu bedanken. Während sie vor Glückseligkeit quiekte, verließ ich ihren Körper und ihr Auto und ließ sie ihren Höhepunkt ganz ungestört genießen. Danke, Puppe.
Ich geisterte zu Virginias Haustür, huschte hinein. Und war alles andere als beeindruckt von dem kleinen Haus.
Erste Station hinter der Haustür: ein Wohnzimmer mit von Kissen überladenen Sofas und Sesseln,
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