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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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angesichts ihrer Sünden überwogen, selbst wenn der Zweck die Mittel heiligte. Auch die Conquista war davon betroffen: Viele spanische Denker und Theologen jener Zeit glaubten, die Spanier hätten kein Recht, die Völker auf den von ihnen entdeckten Kontinenten zu unterwerfen, zu versklaven und zu
unterdrücken - sie wie willenloses Vieh zu behandeln, nicht wie gleichberechtigte menschliche Wesen.
    Als die spanische Krone das Gerücht von den Exzessen in Landas Provinz ereilte, wurde dieser angeklagt und musste nach Madrid zurückkehren. Das Einzige, was den Guardian von Izamal rettete, war ein Dokument, in dem der General des Franziskanerordens Landas inquisitorische Vollmacht bestätigte. Einige Jahre später endete Landas Verfahren mit einem Freispruch. Während dieser Zeit begann der Beschuldigte seinen ethnografischen ›Bericht über die Begebenheiten in Yucatán‹ zu schreiben, der ihm Jahrhunderte später zu weltweitem Ruhm verhelfen sollte.
    Böse Zungen behaupten, dass er ihn nur schrieb, um sich reinzuwaschen und sein Handeln zu rechtfertigen. Andere wiederum glauben, dass Fray de Landa seine Taten bereute und den entstandenen Schaden zu kompensieren versuchte, indem er sämtliche ihm zugänglichen Erkenntnisse über die Maya sammelte und aufschrieb. Wie dem auch sei: Diesem Unterfangen widmete er den Rest seines Lebens.«
     
    E. Jagoniel hatte die Rätsel, die mich quälten, mit der gleichen Leichtigkeit gelöst, mit der Diego de Landa Calderón die Erinnerung an ein ganzes Jahrtausend voll erstaunlicher Errungenschaften, blutiger Kriege und unglaublicher Erschütterungen ausgelöscht hatte: Die Absicht des Klostervorstehers von Izamal war es gewesen, die Kulte der Ureinwohner zu schwächen und die spanischen Kolonien zu sichern - so wie er es dem Autor des Tagebuchs im zweiten Kapitel erklärt hatte. Als er an jenem Junitag herausfand, dass gleichsam im Schatten der Kirche undankbare Indios noch immer ihren hölzernen Götzen Opfer darbrachten,
begriff er, in welch unsicherer Situation sich sowohl sein Orden als auch seine Landsleute in Yucatán befanden, und traf die einzig mögliche und richtige Entscheidung.
    Die Wegführer der Südwest-Expedition hatten also tatsächlich nur versucht, ihre Götter und die Bücher ihres Volkes zu schützen, da die Mönche diese offenbar an einigen Orten bereits verbrannten. Keine sagenhaften Schätze, sondern Geopolitik und religiöser Fanatismus.
    In dieser ganzen Geschichte, die sich plötzlich als so eindeutig und unkompliziert herausstellte, gab es nur noch eine einzige Frage, die mir keine Ruhe ließ: Wenn die Existenz heidnischer Umtriebe in Maní im Juni aufgedeckt worden war und Fray de Landa erst damals den Entschluss fasste, die indianischen Idole und Schriften zu vernichten, warum hatte er dann meine Geheimexpedition, die doch offensichtlich mit dem Autodafé in Zusammenhang stand, bereits zwei Monate vorher losgeschickt?

LA FIEBRE

    E s bestand kein Zweifel: Der Auftrag der Expedition war geheim gewesen. Mit größter Aufmerksamkeit las ich jede Zeile E. Jagoniels über das Autodafé von Maní, doch gab es nirgends einen Hinweis darauf, dass Diego de Landa bereits im April ein entsprechendes Vorhaben verfolgt hätte. Die wenigen Verbrennungen an verschiedenen Orten, denen ein paar Dutzend Götterfiguren zum Opfer fielen, hatten weder mit dem großen »Glaubensakt« noch mit Landa selbst etwas zu tun. Natürlich hatte er von diesen Ereignissen gewusst, diese jedoch nicht selbst angeordnet.
    Was aber, wenn der Guardian von San Antonio de Izamal schon früher das Gewand des Inquisitors angelegt hatte - sozusagen zur Probe? Vielleicht war der Vorfall mit den Hunden des Beschließers für ihn nur ein günstiger Augenblick gewesen, um seine Großoffensive gegen die Heiden einzuläuten? Hatte er das Ganze am Ende selbst inszeniert? Womöglich waren dann die Gründe, die er den Kommandeuren meiner Truppe genannt hatte, auch nichts weiter als Ausflüchte gewesen. Wer einmal lügt … Die Figur Fray de Landas kam mir immer zwielichtiger vor.
    Ohne ernsthafte Beweise hielt ich es jedoch für riskant, paranoide Hypothesen aufzustellen, und so blieb ich bei der Version, dass Landa tatsächlich aus Sorge um Glauben und Vaterland gehandelt hatte. Seine Operation hatte er schon lange vor dem Sommer 1562 geplant und nur gewartet, bis
alles bereit war und sich ein Vorwand für ein »militärisches« Eingreifen ergab. Ja, ich schloss nicht einmal aus, dass die ganze

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