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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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wütenden Gutsherren und der Soldateska. Er beschrieb als Erster ihren Alltag, ihren Glauben, ihre Sitten und Gebräuche und unternahm einen Versuch, ihre Schrift zu entziffern. Es war Diego de Landa, der ohne entsprechende Vollmacht die Kühnheit besaß, über die Heiden und ihre Gottheiten zu richten. Es war dieser selbst ernannte Inquisitor, der im Juli 1562 in Maní ein spektakuläres Autodafé inszenierte, bei dem innerhalb eines Tages fast alle damals existenten rituellen Bücher und Chroniken der Maya verbrannt wurden, deren Inhalt für die moderne Wissenschaft unschätzbar gewesen wäre. Verbrannt wurden ebenfalls die hölzernen Götzenstatuen, die mit Inschriften verziert waren. Nichtsdestotrotz wurde sein ›Bericht aus Yucatán‹ für die späteren Maya-Forscher zur wichtigsten und einflussreichsten Informationsquelle über die Kultur der Maya. Wäre Landa nicht gewesen, es gäbe keinerlei wissenschaftliche Forschung über die Indios, die er so eifrig zu christianisieren suchte, zumindest nicht in ihrer heutigen Form. Doch bestünde in diesem hypothetischen Fall wohl auch keine so große Notwendigkeit und auch kein wissenschaftliches Interesse daran, diese faszinierende Kultur zu erforschen, da sie von ihren Trägern bis auf den heutigen Tag bewahrt worden wäre.«
     
    Ich überflog die Lebensbeschreibung des Franziskanermönchs bis zu seiner Ankunft in Yucatán und suchte in der Gründungsgeschichte des Klosters von Izamal nach aufschlussreichen Details. Zuerst blätterte ich die Seiten nur zerstreut durch, doch dann wurde mir plötzlich schwarz vor Augen, und mir blieb die Luft weg. Alles stimmte überein. Mir ging ein Licht auf.
     
    »… dieser selbst ernannte Inquisitor, der im Juli 1562 in Maní ein spektakuläres Autodafé inszenierte, bei dem innerhalb eines Tages fast alle damals existenten rituellen Bücher …«

    Das gleiche Jahr, die gleiche Stadt, das gleiche düstere Klosteroberhaupt: Die in dem von mir übersetzten Tagebuch beschriebenen Abenteuer waren eindeutig die Vorgeschichte zu den Ereignissen, die sich im Juli desselben Jahres in Maní zugetragen hatten.
    Die drei Indios, die zur Begleitung der Truppe abgestellt worden waren, hatten sich besorgt nach dem Ziel der Expedition gefragt, und einige Tage nach dem Aufbruch der Spanier aus Maní, noch im ersten Teil der Aufzeichnungen, hatte einer der Wegführer bei den Kommandeuren herauszufinden versucht, ob es stimme, dass in anderen Orten Yucatáns Konquistadoren und Mönche die Bücher der Maya verbrannten.
    Ich sprang vom Sofa auf und lief in das Zimmer, in dem auf dem Schreibtisch der Papierstapel mit meinen abgetippten Kopien lag. Im Nu hatte ich die gesuchte Passage gefunden.
     
    »… mitteilte, dass in einigen Gebieten der Maya, insbesondere in Mayapán, Yaxuna und Tulum, spanische Soldaten Bücher und Götzen der Indios verbrannt hätten. Dass dieser Hernán González mich fragte, warum sie so handelten und ob ich einen ähnlichen Befehl habe. Dass ich, obwohl ich bereits ahnte, warum uns Fray Diego de Landa zu diesem Marsch abgeordnet hatte …«
     
    Es bedurfte keiner Hypothesen mehr. Ich musste nur noch bei Jagoniel die Passagen lesen, die von der großen Verbrennung in Maní berichteten. Warum war ich nicht gleich darauf gekommen, als ich von dem unseligen Autodafé bei Kümmerling gelesen hatte?

    »Fray de Landas eigenen Worten zufolge hatte er den Plan, sämtliche Götzenbilder und heilige Bücher der Indios vernichten zu lassen, im Juni gefasst. An einem gewissen Tag in diesem Monat hatten sich die Hunde des Beschließers des Erzengel-Michael-Klosters von ihren Ketten losgerissen und waren fortgelaufen. Nach einiger Zeit fand der Beschließer die Tiere in einer kleinen Höhle unweit des Klosters. Bellend standen sie vor einem niedrigen, engen Durchgang, den der Mann zuerst gar nicht bemerkt hatte. Aus Neugier entschied er, weiter ins Innere vorzudringen, und gelangte nach einiger Zeit in einen Raum, in dem sich hölzerne und steinerne Abbilder indianischer Gottheiten befanden, mit frischem Blut beschmiert. Daneben gab es auch andere Anzeichen, dass erst kurz zuvor in dieser Höhle religiöse Zeremonien stattgefunden hatten. Dies alles berichtete der junge Mann, ein getaufter Indio, treu dem Guardian des Klosters.
    Die Nachricht, dass fünfzehn Jahre nach Ankunft der Missionare die Ureinwohner dieser Gegend noch immer ihren Götzen huldigten, nur wenige Schritte von katholischen Kirchen entfernt, und womöglich wie

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