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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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beherbergt hatte. Schon als kleiner Junge war ich regelmäßig mit meiner Großmutter hergekommen, um Bücher über Weltreisen und heldenhafte Pioniere in der Gewalt der Faschisten auszuleihen. Daher hatten meine wöchentlichen Besuche im Übersetzungsbüro etwas Nostalgisches - als beträte ich einen verlassenen, verrosteten Vergnügungspark, über den ich dreißig Jahre zuvor an der Hand meiner Eltern geschlendert war. Das Aroma alter Bücher saß noch in den Tapeten und Holzwänden und überdeckte sowohl den scharfen Geruch der Geschäftspapiere als auch den süßlich warmen Plastikdunst der PCs. Für mich war dieses Büro immer eine Kinderbibliothek geblieben. Vielleicht war dies der Grund, warum ich mich im ersten Moment gar nicht besonders wunderte, als ich die Papiere aus der Ledermappe zog.
    Ein Blick genügte, um zu begreifen, dass sie aus einem Buch stammten. Sie waren nicht herausgerissen, sondern sorgfältig mit chirurgisch genauen Schnitten abgetrennt worden. Ich stellte mir vor, wie eine Hand in einem Gummihandschuh mit einem Skalpell einen alten Folianten entlangfuhr, der aufgeschlagen auf einem OP-Tisch lag. Derartige Maßnahmen erschienen mir keineswegs übertrieben - sicher war das aus unbekanntem Grund zerlegte Buch äußerst wertvoll gewesen. Dem äußeren Anschein nach waren die Seiten mindestens zweihundert Jahre alt. Das feste Papier, das im Laufe der Zeit an einigen Stellen sandfarben geworden war, jedoch noch keine Anzeichen von Verfall zeigte, bedeckten etwas unregelmäßige Zeilen aus gotischen Buchstaben. Offenbar handelte es sich um gedruckte
Schrift, obwohl die Lettern sich nicht immer vollständig glichen.
    Die Seiten waren nicht nummeriert, doch auf dem obersten Blatt hieß es: Capítulo II . Das erste Kapitel befand sich vermutlich bei dem anderen Übersetzer, der vor mir begonnen hatte und nun mit der Rückgabe in Verzug geraten war. Der Grund für diese Verzögerung wurde mir klar, nachdem ich den Text überflogen hatte. Auch mir kamen jetzt Zweifel, ob ich meine Übersetzung termingerecht würde einreichen können. Ich brauchte einige Stunden, um mich an die seltsame Schrift zu gewöhnen und mich durch den ersten Absatz dieses widerspenstigen, vom Alter zäh gewordenen Textes zu beißen.
     
    Inzwischen war es draußen dunkel geworden. Ich hatte mich daran gewöhnt, häufig nachts zu arbeiten. Erst im Morgengrauen ging ich zu Bett und stand am Nachmittag auf. Sobald sich die Wohnung in Dunkelheit hüllte, machte ich nur zwei Lampen an - auf meinem Schreibtisch sowie in der Küche - und verbrachte die ganze Nacht zwischen diesen beiden Feuern hin und her wandernd. Beim warmen, gelben Schein der Vierzig-Watt-Birne ließ es sich viel besser denken - das Tageslicht hingegen stach mir in die Augen und höhlte meinen Schädel aus. Nicht einen einzigen Gedanken bekam ich dann zu fassen; sie schienen sich irgendwohin verzogen zu haben, wo sie bis zum Anbruch des Abends ausharrten.
    Hatte ich die Nacht über durchgearbeitet, so legte ich mich meist um fünf Uhr morgens schlafen. Mit meinen dichten Vorhängen sperrte ich die ersten Sonnenstrahlen
aus, schlüpfte unter die Daunendecke und schlief augenblicklich ein.
    In letzter Zeit hatte ich mehrmals seltsam geträumt: Aus irgendeinem Grund war mir immer wieder mein geliebter Hund erschienen, der vor gut zehn Jahren gestorben war. Im Traum gab es natürlich keine Anzeichen für sein Ableben, und er verhielt sich wie ein völlig normales, lebendiges Tier. Was bedeutete, dass ich mit ihm Gassi gehen musste. Während dieser Spaziergänge lief er mir bisweilen weg (schon zu Lebzeiten hatte ich ihn nur sehr selten an die Leine genommen, höchstens um ihn über die Straße zu führen), so dass ich einen Gutteil des Traums damit verbrachte, nach ihm zu suchen und aus Leibeskräften seinen Namen zu rufen. Hoffentlich bekamen die Nachbarn nichts davon mit! Nicht immer gelang es mir, ihn wiederzufinden, bevor ich aufwachte. Aber das war nicht weiter schlimm: Bis zum nächsten Morgen fand er stets von selbst nach Hause, wartete bereits ungeduldig an der Schwelle zwischen Schlaf und Wachen auf mich und kaute verspielt auf seiner Leine herum. Ich hatte mich inzwischen so an seine selbstständige Rückkehr gewöhnt, dass ich mir, wenn er einmal nicht da war, sogleich Sorgen machte, ob ihm etwas passiert war.
     
    Es fiel mir nicht leicht, den Sinn der ersten zehn Zeilen zu erfassen. Mindestens ein Fünftel der Wörter fehlten in meinem Wörterbuch - ohne

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