Sumerki - Daemmerung Roman
ich mich wieder in die Übersetzung vertiefte, blickte ich noch einmal durchs Fenster. Etwas machte mich stutzig. Eine Zeit lang betrachtete ich erstaunt die Umrisse meines Gesichts, das dort in der stillen Nachtluft schwebte. Der Mann hinter dem Spiegel unterschied sich kaum merklich von dem, der mich gestern noch so missmutig von der anderen Seite aus angeblickt hatte.
Der Unterschied lag in den Augen. Gewöhnlich waren sie trüb oder glasig, wie bei den ausgestopften Ebern und Bären in dem berühmten Jagdgeschäft auf dem Arbat. Heute schien es jedoch, als ob sie von innen heraus strahlten. Kein Wunder: Zum ersten Mal seit vielen Jahren saß ich an einer Arbeit, die mich interessierte.
»Dass unser Weg zunächst über grüne und wunderschöne Wiesen führte, an deren Stelle alsbald undurchdringlicher Tropenwald trat. Dass wir allein dank unserer drei Führer durch das Dickicht auf unserem Weg vorankamen. Dass zwei der Indios stets vorausgingen und, wo immer nötig, mit ihren langen Messern Zweige abschlugen, um den Weg frei zu machen, gefolgt von ein paar Soldaten, die sie vor wilden Tieren und Feinden beschützten, während der dritte Führer gewöhnlich mich sowie die Señores Vasco de Aguilar und Gerónimo Núñez de Balboa begleitete.
Dass unser Marsch auf das Ende der Trockenzeit fiel, worauf in Yucatán und in den anderen Teilen dieses Landes Monate des Regens folgen. Dass selbst weit entfernt von den Siedlungen der Indios ein Brandgeruch in der Luft stand und die Sonne trüb war vom
Rauch, denn im April und Mai, bevor die Regenzeit beginnt, verbrennen die Indios große Teile der Selva und des Gebüschs, um sie für den Ackerbau im nächsten Jahr vorzubereiten. Dass alle ebenen Länder der Maya in diesen Wochen von Rauch überzogen sind und danach ganze sechs Monate starker Regen fällt, und dass gegen Dezember die Indios in diese von der Asche fruchtbar gemachten und vom Regen getränkten Erde den Mais pflanzen, der dort ungewöhnlich gut wächst, so dass ein einzelner Ackersmann zwanzig Menschen ernähren kann.
Dass wir auf Anordnung Fray Diego de Landas die bekannten Straßen mieden und aus diesem Grunde nur langsam vorankamen. Dass wir anfangs die Fuhrwerke zurücklassen und einigen Soldaten befehlen wollten, sie wieder zurückzubringen; doch dann brachten uns die Führer zu einem alten Weg, den verwachsene Baumkronen vor fremden Blicken verbargen und der gesäumt war von Steingebilden, welche jenen grotesken Gnomen glichen, die ich schon in Maní bei den alten Tempeln der Maya gesehen hatte. Dass wir zudem an aufrechten Steinplatten vorüberkamen, die mit winzigen Symbolen bedeckt waren, von denen mir Fray de Landa bei einer unserer Unterredungen berichtet hatte; es seien die Buchstaben der yukatekischen Sprache, und er habe sie begriffen.
Dass unsere Reise in den ersten Tagen ohne Hindernisse und Schwierigkeiten verlief. Dass wir auf unserem Weg immer seltener Dörfer der Indios antrafen und nun, da wir in die Selva eingetaucht waren, keinen einzigen Menschen mehr zu Gesicht bekamen. Dass uns aber auch keine wilden Tiere behelligten und nur ein Mal nachts ein Wächter unweit im Dickicht einen Jaguar brüllen hörte; doch obwohl wir Pferde dabeihatten, folgte uns das Tier nicht, worauf unsere indianischen Begleiter meinten, dies sei ein gutes Zeichen.
Dass es sowohl für uns als auch für die Soldaten und unsere Führer genug zu essen gab, denn wir führten Dörrfleisch und trockene Maisfladen mit, und mitunter sammelten die Führer für uns essbare Früchte im Wald, und einige Male gingen sie auf die Jagd und brachten getötete Brüllaffen wieder, und am vierten Tage erlegten sie mit ihren Pfeilen einen Hirschen, dessen Fleisch wir gerecht unter den Soldaten verteilten, und die Jäger bekamen das Doppelte.
Dass am fünften Tage unseres Weges, während unsere Abteilung ruhte, einer der Führer, Gaspar Xiu, sich zu mir setzte und mich flüsternd fragte, ob ich wisse, weshalb Fray Diego de Landa uns auf diese Fahrt geschickt habe. Dass ich mich der gebotenen Vorsicht erinnerte und antwortete, man habe uns befohlen, gewisse Bücher zu suchen und sie nach Maní mitzunehmen, alles Weitere sei mir nicht bekannt. Dass Gaspar Xiu mich daraufhin lange anblickte und alsdann fortging, und er den Eindruck erweckte, als glaube er mir nicht.
Dass am nächsten Tage, da ich in der Nachhut der Abteilung ritt, um unsere Fuhrwerke zu bewachen, mich der andere Führer, das Halbblut Hernán González, bat,
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