Sumerki - Daemmerung Roman
dessen Hilfe hätte ich kaum mehr als ein Drittel eines Satzes verstanden. Außerdem begann jeder neue Absatz aus unerfindlichem Grund mit dem Wort »Dass«. Immer wieder abgelenkt von den gelblichen Flecken auf dem uralten Papier, begann ich akribisch jedes
nachgeschlagene Wort auf ein Blatt Papier zu notieren. Einige musste ich später korrigieren, da sich der erste Übersetzungsversuch als falsch herausstellte. Die gesuchte Bedeutung war im Wörterbuch meistens mit dem Hinweis »veraltet« versehen.
Schon aus dem ersten Absatz wurde klar - und diese Hypothese bestätigte sich später, als ich mich bereits in der wunderlichen Erzählung dieses unbekannten Autors zu verstricken begann -, dass es sich hier um die Chronik einer Expedition in die bewaldeten Täler von Yucatán handelte, die von einem kleinen spanischen Trupp unternommen worden war. Auf den nächsten Seiten fanden sich Datumsangaben: Die beschriebenen Ereignisse hatten sich offenbar vor fast 450 Jahren abgespielt, also Mitte des 16. Jahrhunderts, zur Zeit der Eroberung Mittel- und Südamerikas durch die Konquistadoren.
Der Text in der Form, wie ich ihn hier und im Folgenden anführe, ist natürlich das Ergebnis sorgfältiger Korrektur und mehrfacher Überarbeitung. Meine ersten Versionen waren viel zu roh und unverständlich, als dass ich sie anderen hätte zeigen können, ohne mich zum Gespött der Leute zu machen.
»Dass wir uns auf Geheiß Fray Diego de Landas, des Guardians von Yzamal und Provinzials der Franziskaner von Yucatán, in eine der von Maní weiter entfernten Provinzen aufmachten, um aus den dort befindlichen Tempeln alle Handschriften und Bücher einzusammeln und nach Maní zurückzubringen.
Dass mit mir die edlen Señores Vasco de Aguilar und Gerónimo Núñez de Balboa aus Córdoba aufbrachen sowie gut vierzig fußläufige
und ein Dutzend berittene Soldaten unter unserem Befehl, des Weiteren zwei mit Pferden bespannte Fuhrwerke, auf denen wir alle Handschriften und Bücher nach Maní bringen sollten, einige getaufte Indianer, die uns den Ort zeigen sollten, an dem sich jene Tempel befanden, sowie Fray Joaquín, den uns Fray de Landa zur Seite gestellt hatte.
Dass unser Weg nach Südwesten führte, in ein wenig erkundetes Gebiet, und dass wir über keine zuverlässigen Karten verfügten, weshalb Fray Diego de Landa uns auch so viele Soldaten mitgegeben hatte, wodurch er sogar die Verteidigung Manís aufs Spiel setzte. Dass er von den Führern nur die zuverlässigsten entsandte, drei seiner eigenen Dolmetscher, die Fray Diego de Landa selbst getauft hatte: Der erste von ihnen hieß Gaspar Xiu, der zweite Juan Nachi Cocom, und der dritte Hernán González, die beiden ersten aus dem Volk der Maya, das in Yucatán lebt, wohingegen der dritte - Hernán González - ein Halbblut war, sein Vater ein Spanier, seine Mutter aber eine Maya.
Dass mich Fray de Landa vor dem Aufbruch unserer Abteilung zu sich bat und mir die Aufgabe sowie ihre Bedeutung erläuterte und mir mitteilte, dass unsere Expedition nur eine von vielen sei, die er, Fray de Landa, von Maní aus in alle Himmelsrichtungen ausgesandt habe mit dem Befehl, alle indianischen Bücher und Handschriften, die an verschiedenen Stellen aufbewahrt wurden, zu finden und einzusammeln. Dass solche Expeditionen nach Osten gen Chichenizá und nach Westen gen Uxmal und nach Ekab und zu anderen Orten unternommen würden. Dass Fray de Landa nachsah, ob jemand hinter der Tür stünde und unser Gespräch belauschte, und sodann leise zu mir sagte, dass unsere Gesandtschaft die größte Verantwortung trage; treu gesinnte Menschen hätten ihm Gerüchte zugetragen, es gebe in entfernten Gegenden sogar getaufte Indianer, die noch immer ihren
alten Göttern huldigten, und ihre Bücher verleiteten sie dazu, sich von Christus abzuwenden. Und deshalb habe er, Fray de Landa, beschlossen, den Indianern all ihre Handschriften wegzunehmen und ebenso ihre Götzenbilder, denn durch sie verführe der Teufel ihre Seelen. Wenn man jetzt nicht handle, so könnten sich die versprengten Maya erneut zusammenschließen und sich, unseren Herrn Jesus Christus verleugnend, wieder ihren satanischen Göttern zuwenden; und dann stünde den Spaniern ein neuer Krieg bevor, welcher die wenigen Kämpfe bei der Eroberung Yucatáns in den Schatten stellen werde. Dass es große Aufbewahrungsorte ihrer Handschriften im Nordwesten und Nordosten gebe, in den verlassenen Städten der Maya, doch die wichtigsten befänden sich, den
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