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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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behalten, denn mir war klar: Ganz gleich, wen ich in mein Geheimnis einweihte, ob Freund oder Milizionär, man würde mir doch nur raten, meine Dämonen mit einer regelmäßigen Dosis Psychopharmaka zu vertreiben. Wenn ich Pech hatte, steckten sie mich sogar in eine geschlossene Anstalt. Dabei war ich fest davon überzeugt, dass mein Verstand noch funktionierte, trotz all der Prüfungen, die er in den letzten Wochen hatte bestehen müssen.

    Konkrete Beweise hatte ich mehr als genug: Das Sumpffieber hatte eine halbe Packung Fiebermittel gekostet und meinen Körper ausgetrocknet. Die Siegel der Kriminalabteilung, mit denen nach Semjonows Tod der Zugang zum Übersetzungsbüro versperrt gewesen war, hatte ich mit eigenen Händen berührt. (Waren die Milizionäre tatsächlich so naiv, zu glauben, dass diese lächerlichen Papierfitzel das - höchstwahrscheinlich von mir - geöffnete Tor zur Hölle der Maya wieder verschließen konnten?) Schließlich: die Warnung an meiner Tür. Eine grauenhafte Karikatur jener Rose, die Laotse aus seinem eigenen Traum stahl und die Borges so verehrte. Sie war ein eindeutiger Beweis dafür, dass die Dämonen aus der indianischen Überlieferung tatsächlich in meine Welt eingedrungen waren. Ich war nicht der Einzige, der die Schrift gesehen hatte, und meine Nachbarin neigte nun wirklich nicht zu paranoiden Fantasien - ihre Psyche war unverwüstlich, gestählt noch zu Sowjetzeiten.
    Immer wieder ging ich diese Argumente durch, bis ich zumindest mich selbst von meiner Normalität überzeugt hatte. Und doch traute ich mich nicht, vor die Wohnung zu treten, um zu überprüfen, ob die Schrift noch immer an der Tür stand.
    Stattdessen schlurfte ich zum Eingang, tastete noch einmal alle Schlösser ab und drückte zur Sicherheit auf die Klinke. Dann drückte ich mein Ohr an das kühle Kunstlederpolster und lauschte gespannt dem Klappern des alten Aufzugs, während dieser angestrengt den Schacht heraufkroch. Ich kontrollierte alle Fenster, schloss sogar noch die kleine Lüftungsklappe ganz oben und machte überall in der
Wohnung Licht. Erst jetzt fühlte ich mich einigermaßen sicher.
    Die Wände meines Hauses, das aus der Stalin-Epoche stammte, waren sicher nicht weniger dick als die Festungsmauern des Klosters in Maní, und die Eisentür, für die seinerzeit zwei Monatsgehälter draufgegangen waren, hätte einem Rammbock standgehalten.
    Juan Nachi Cocom schien jedoch mehr auf die Kreuze des Erzengel-Michael-Klosters zu vertrauen als auf die Garnison von Maní mit ihrer Kavallerie, ihren Kanonen und Arkebusen. Die Kräfte, gegen die ich meine Festung verteidigen musste, schreckten weder vor Stahl zurück noch vor Blei, ganz zu schweigen von dem angelaufenen Tafelsilber und den lächerlichen Nirosta-Messern in meiner Küchenschublade.
     
    Ich bin nicht gläubig. In meinem ganzen Leben bin ich vielleicht zehnmal in einer Kirche gewesen, und das auch nur, um - entrüstet zischenden Messdienern zum Trotz - ein paar Schnappschüsse zu machen. Nicht eine Kerze habe ich dort zur Tröstung meines Gewissens je erstanden. Der Geruch von Weihrauch macht mich schwindelig, und wenn ich das viele Gold sehe, muss ich ganz pietätlos an die fingerdicken Ganovenketten all unserer Neureichen denken, deren größte Leidenschaft es ist, ihren Luxus zur Schau zu stellen. Was soll ich noch sagen? Das Alte und Neue Testament habe ich ehrlich versucht zu lesen, doch gab ich die Lektüre - zu meiner Schande - schon nach wenigen Seiten gelangweilt auf. Ostereier habe ich nie bemalt, gefastet noch weniger. Sämtliche orthodoxen Heiligen haben mich längst
abgeschrieben. Sie blicken mir nicht mehr forschend aus ihren schweren Ikonen entgegen, sollte ich aus Zerstreutheit oder Neugier doch einmal wieder zufällig eine Kirche betreten.
    Hätte ich mir jetzt aus Feigheit ein Kruzifix oder eine Erzengel-Michael-Ikone angeschafft, sie wären in meinen Händen doch nichts als sinnlose Holz- oder Plastikfiguren gewesen, genau wie die kleine bronzene Buddhastatue, die in meinem Zimmer auf dem Schrank vor sich hinstaubt. Der arglose Jesus Christus, der nun schon das dritte Jahrtausend qualvoll sterbend an zwei Holzstäbchen hängt, wird erst dann zum magischen Artefakt, wenn er gesättigt ist mit den Emanationen menschlicher Freude, Hoffnung, Pein und Verzweiflung, wenn ihm Gebete und Dankesworte gelten.
    Eine derart ungeladene Waffe musste meinem Gegner doch eher wie eine Einladung vorkommen. Also beschloss ich, mir keinerlei

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