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Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)

Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)

Titel: Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Candace Bushnell
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passieren. Mich eingeschlossen.

27
    Ich sitze im Unterricht und trommle wütend mit der Fußspitze auf den Boden.
    Ryan steht vor der Klasse und liest seine Kurzgeschichte vor. Sie ist gut — richtig gut. Es geht um eine wilde Nacht in einem
Club, wo ein Mädchen mit kahl rasiertem Schädel sich an ihn heranmacht und versucht ihn an Ort und Stelle zu verführen. Die Geschichte ist sogar so gut, dass ich mir wünsche, ich hätte sie geschrieben. Leider kann ich ihr nicht meine volle Aufmerksamkeit schenken, weil mir nach dem Gespräch mit L’il und der Niedertracht von Viktor Greene immer noch der Kopf schwirrt.
    Wobei Niedertracht ein noch viel zu harmloses Wort ist. Abscheulichkeit? Ungeheuerlichkeit? Bösartigkeit?
    Manchmal gibt es einfach keine Worte, um die Heimtücke zu beschreiben, die manche Männer in Beziehungen an den Tag legen.
    Woher kommt das bloß? Warum können sie nicht ein bisschen mehr wie Frauen sein? Ich nehme mir vor, eines Tages ein Buch mit dem Titel »Welt ohne Männer« zu schreiben. Es gäbe keine Viktor Greenes. Und auch keine Capote Duncans.
    Wieder versuche ich, mich auf Ryans Geschichte zu konzentrieren, aber L’ils Abwesenheit erfüllt den gesamten Raum. Und jedes Mal, wenn ich aus alter Gewohnheit über die Schulter blicke, sehe ich nur ihren leeren Platz. Viktor hat sich in die hinterste Reihe gesetzt, sodass ich ihn nicht beobachten kann, ohne mich ganz umzudrehen. Allerdings habe ich ihm vor dem Unterricht einen kleinen Besuch abgestattet.
    Ich bin zwanzig Minuten früher zur New School gekommen und direkt zu seinem Büro gegangen. Er stand am Fenster und wässerte eine dieser dämlichen Hängepflanzen, die gerade so in Mode sind und inmitten dieses Asphaltdschungels angeblich für zusätzlichen Sauerstofsorgen.
    »Ja, bitte?«, sagte er und drehte sich um.
    Was auch immer ich ihm hatte sagen wollen, es blieb mir in
der Kehle stecken. Ich machte den Mund auf, brachte aber nichts weiter als ein verstörtes Lächeln zustande.
    Waldo war verschwunden. Viktors Schnauzbart war bis auf das letzte Härchen beseitigt, genau wie – der Gedanke drängte sich mir förmlich auf – sein ungeborenes Kind.
    Gespannt wartete ich darauf, was er mit seinen Händen anstellen würde, jetzt, da Waldo fort war.
    Und tatsächlich fasste er sich sofort an die Oberlippe und strich panikartig über die nackte Haut, wie jemand, der ein Körperteil verloren hat und sich nicht darüber im Klaren ist, bis er versucht, es zu benutzen.
    »Hrmp«, räusperte er sich verlegen.
    »Haben Sie mein Stück inzwischen gelesen«, erkundigte ich mich kühl.
    »Hmmm?« Nachdem seine Hände zu dem Schluss gekommen waren, dass Waldo wirklich nicht mehr da war, fielen sie hinunter und baumelten schlafneben seinem Körper.
    »Mein Theaterstück«, sagte ich und genoss sein Unbehagen. »Ich habe es Ihnen gestern zum Lesen gegeben, erinnern Sie sich?«
    »Ich bin noch nicht dazu gekommen.«
    »Können Sie mir dann wenigstens schon mal sagen, wann Sie ungefähr dazu kommen werden?«, fragte ich. »Es gibt da nämlich jemanden, der daran interessiert wäre, eine Lesung zu organisieren …«
    »Dieses Wochenende, schätze ich«, antwortete er und nickte dann wie zur Bestätigung.
    Ich warf ihm einen letzten, wie ich hoffte, unmissverständlichen Blick zu und verließ sein Büro. Er weiß es, dachte ich triumphierend, während ich zum Kursraum ging. Er weiß genau, dass ich es weiß.
    Capotes Lachen holt mich in die Gegenwart zurück. Es klingt wie Fingernägel, die über eine Tafel kratzen. Dabei mag ich es eigentlich. Es ist die Art von Lachen, das in einem den Wunsch weckt, irgendetwas Witziges zu sagen, damit man es gleich noch mal hören kann.
    Ryans Geschichte war ofensichtlich sehr amüsant. Der Glückliche. Ryan gehört zu den Menschen, die ihre Schwächen stets mit ihrem Talent vergessen machen können.
    Viktor steht auf, schlurft nach vorne und nimmt wieder seinen Platz vor der Klasse ein. Ich mustere die nackte Haut um seinen Mund und es läuft mir kalt über den Rücken.
     
    Blumen. Ich muss unbedingt einen Strauß für Samantha besorgen. Und Toilettenpapier. Und vielleicht ein Spruchband, auf dem »Willkommen zu Hause« steht. Ich streife über den Blumenmarkt auf der Seventh Avenue und weiche Wasserpfützen aus, in denen Blütenblätter schwimmen. Mir fällt ein, dass ich irgendwo mal gelesen habe, dass die eleganten Damen der Upper East Side ihre Angestellten jeden Morgen losschicken, um frische Blumen zu

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