Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
mit ihrem Professor haben. So was geht selten gut. Das Beste ist, man tut einfach so, als wäre nie etwas passiert.« Ich muss kurz daran denken, dass Capote und ich auch beide so getan haben, als hätte unser Kuss nie stattgefunden.
»So einfach ist das nicht, Carrie«, erwidert sie düster.
»Natürlich nicht. Ich bin mir sicher, dass du geglaubt hast, du wärst in ihn verliebt. Aber im Ernst, L’il, der Kerl ist es nicht
wert. Er ist nichts weiter als ein bedauernswerter Wicht, der zufälligerweise einen Buchpreis gewonnen hat«, rede ich weiter auf sie ein. »Aber du wirst noch mehr Gedichte im New Yorker veröfentlichen und selbst Preise gewinnen und ich verspreche dir, dass du dich in einem halben Jahr nicht mal mehr an ihn erinnern wirst.«
»Doch, werde ich.«
»Warum?«, frage ich alarmiert.
»Weil ich schwanger geworden bin«, sagt sie.
Ich öfne den Mund, bringe aber keinen Ton hervor.
»Bist du noch dran?«, fragt sie.
»Von Viktor?«, krächze ich.
»Von wem sonst?«
»Oh, L’il.« In mir zieht sich vor Mitgefühl alles zusammen. »Das tut mir so leid. So unendlich leid.«
»Ich habe es wegmachen lassen.« Ihre Stimme klingt hart.
»Du hast …« Ich zögere. »Vielleicht ist es so das Beste gewesen«, sage ich behutsam.
»Das werde ich wohl nie erfahren.«
»Du hast noch dein ganzes Leben vor dir …«, versuche ich sie zu trösten.
»Er hat mich dazu gebracht, es abzutreiben.«
Ich schließe die Augen, als ich mir vorstelle, wie schmerzhaft das alles für sie gewesen sein muss.
»Er hat mich noch nicht einmal gefragt, ob ich es behalten möchte. Er ist einfach davon ausgegangen … davon ausgegangen, dass …« Ihr bricht die Stimme.
»Oh Gott, L’il«, flüstere ich.
»Ich weiß, was du jetzt denkst. Dass ich erst neunzehn bin und noch überhaupt nichts mit einem Kind hätte anfangen können.
Und wahrscheinlich … wahrscheinlich hätte ich mich sowieso dagegen entschieden, aber er hat mir ja noch nicht einmal die Wahl gelassen.«
»Er hat dich zu der Abtreibung gezwungen?«
»Im Grunde, ja. Er hat den Termin im Krankenhaus organisiert, mich begleitet und dafür bezahlt. Und dann hat er sich ins Wartezimmer gesetzt und vermutlich in einer Zeitschrift geblättert, während sie es … weggemacht haben.«
»Um Himmels willen, L’il. Warum bist du nicht einfach abgehauen? «
»Ich habe mich nicht getraut. Im Grunde genommen wusste ich ja selbst, dass es so das Beste war, aber …«
»Hat es wehgetan?«, frage ich.
»Nein. Komisch, oder? Es hat kein bisschen wehgetan und danach ging es mir gut. Als wäre ich wieder ganz die Alte. Im ersten Moment war ich einfach nur wahnsinnig erleichtert, aber dann habe ich angefangen, darüber nachzudenken und zu begreifen, wie schrecklich das alles war. Noch nicht einmal die Abtreibung an sich, sondern, wie er sich verhalten hat. Als wäre die Entscheidung für ihn von Anfang an ganz klar gewesen. Und da hab ich verstanden, dass er mich nie wirklich geliebt hat. Wie kann ein Mann dich lieben, wenn er noch nicht mal den Gedanken zulässt, ein Kind mit dir zu haben?«
»Ich weiß nicht, L’il, vielleicht …«
»Die Sache ist beendet, Carrie«, unterbricht sie mich heftig. »Ich will nicht mit ihm zusammen sein. Und selbst wenn wir es noch mal miteinander versuchen würden, würde immer das Wissen zwischen uns stehen, dass ich mit seinem Kind schwanger war und er es nicht wollte.«
Ich schaudere. »Aber könntest du nicht einfach … wenn ein
bisschen Zeit vergangen ist … zurückkommen?«, frage ich zaghaft.
»Ach, Carrie.« Sie seufzt. »Verstehst du denn nicht? Ich will nicht zurück. Nie mehr. Ich möchte solche Menschen wie Viktor Greene noch nicht einmal kennen. Verdammt. Ich wünschte, ich wäre nie nach New York gegangen«, stößt sie mit tränenerstickter Stimme hervor und legt auf.
Ein paar Minuten später sitze ich immer noch da und wickle mir das Telefonkabel um den Zeigefinger, während ich fassungslos ins Leere starre. Warum L’il? Ausgerechnet. Ich hätte nie gedacht, dass sie der Typ Mensch ist, dem so etwas passieren könnte. Andererseits: Wer ist das schon? Was mir vor allem zu schafen macht, ist die schreckliche Endgültigkeit ihrer Entscheidung.
Traurig vergrabe ich das Gesicht in den Händen. Vielleicht hat L’il, mit dem, was sie über New York gesagt hat, recht. Sie ist hergekommen, um zu gewinnen, aber diese Stadt hat sich als ein zu harter Gegner erwiesen. Und wenn das L’il passieren konnte, kann es jedem
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