Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
hat.
Außerdem habe ich eine ausgewachsene Neurose entwickelt, was die Pille angeht. Ständig ziehe ich die Packung aus dem kleinen Plastiketui, um sicherzugehen, dass ich nicht vergessen habe, sie zu nehmen. Anfangs hatte ich sogar darüber nachgedacht, mir zusätzlich ein Diaphragma zuzulegen, aber nachdem der Arzt es mir gezeigt und die Anwendung erklärt hat, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass mir das doch zu kompliziert wäre. Wobei mich sein Anblick spontan auf die Idee gebracht hat, zwei Löcher hineinzuschneiden und es als Hütchen für Katzen zu vermarkten.
Natürlich musste ich bei meinem Besuch beim Frauenarzt an L’il denken. Irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich im Gegensatz zu ihr immer noch in New York bin, mein Stück lesen werde und einen wahnsinnig netten, tollen und erfolgreichen Freund habe, der mir nicht das Herz gebrochen hat – bis jetzt jedenfalls noch nicht. Ohne Viktor Greene wäre L’il auch noch hier und würde in ihrem Laura-Ashley-Kleid durch Manhattan spazieren und Blümchen entdecken, die in den Ritzen im Asphalt wachsen. Aber dann frage ich mich, ob es wirklich nur an Viktor lag. Vielleicht hatte L’il recht und New York war einfach nicht die richtige Stadt für sie. Hätte Viktor sie nicht in die Flucht geschlagen, wäre es womöglich etwas anderes gewesen.
Ich muss an das denken, was Capote während des Stromausfalls zu mir gesagt hat: Dass ich keinen Grund hätte, mir Sorgen zu machen, weil ich ab Herbst an der Brown studiere. Ha, wenn er wüsste. Mit jedem Tag, der verstreicht, habe ich weniger Lust zu studieren. Abgesehen davon, dass ich meine neuen Freunde hier schrecklich vermissen würde, weiß ich längst, was ich mit meinem Leben anfangen möchte. Warum kann ich nicht einfach so weitermachen wie bisher?
Daneben gibt es auch noch andere Dinge, die ich vermissen würde, wenn ich hier wegmüsste. Zum Beispiel würde ich keine Designerklamotten mehr geschenkt bekommen.
Vor ein paar Tagen hat mir eine kleine Stimme in meinem Kopf zugeflüstert, dass ich dem Laden von Jinx auf der 8. Straße doch mal einen Besuch abstatten könnte. Der Verkaufsraum war leer, als ich hereinkam – wahrscheinlich saß Jinx im Hinterzimmer und polierte ihren Schlagring. Ich begann mir die Kleider an den Ständern anzusehen und als sie das Klappern der Bügel hörte, tauchte sie hinter einem Vorhang auf, musterte
mich von oben bis unten und meinte dann: »Ach, du bist es. Du warst auch auf Bobbys Party.«
Ich nickte.
»Und? Hast du ihn mal wieder gesehen?«
»Bobby? Ja. Ich lese demnächst mein Theaterstück bei ihm.« Ich sagte es ganz beiläufig, als wäre es nichts Besonderes für mich.
»Bobby ist ein komischer Typ«, meinte sie und verzog missbilligend den Mund. »Irgendwie schmierig.«
»Mhmmm«, stimmte ich zu. »Er kommt mir ein bisschen … notgeil vor.«
Sie brach in dröhnendes Lachen aus. »Hahaha. Das Wort trifft es perfekt. Notgeil. Genau das ist er. Weil ihn nämlich nie eine ranlassen will.«
Das wunderte mich nicht.
Bei Tageslicht sah Jinx gar nicht mehr so Furcht einflößend, sondern — fast möchte ich sagen — normal aus. Ich erkannte, dass sie sich nicht deswegen so stark schminkt, weil sie anderen Angst einjagen will, sondern weil sie ziemlich schlechte Haut hat. Außerdem färbt sie sich die Haare schwarz, wodurch sie ganz spröde und glanzlos wirken. Ich könnte mir vorstellen, dass sie aus einer Problemfamilie kommt und von klein auf mit einem trinkenden Vater und einer überforderten Mutter konfrontiert war. Aber sie hat unübersehbar Talent, und als ich an diesem Tag in ihrem Laden stand, empfand ich plötzlich unglaublichen Respekt davor, dass sie es so weit gebracht und sich in New York ihre eigene Existenz aufgebaut hat.
»Ich nehme an, du brauchst etwas zum Anziehen für die Lesung bei Bobby«, stellte sie fest.
»Das stimmt«, antwortete ich überrascht. Ich hatte mir bis zu
diesem Zeitpunkt noch gar keine Gedanken darüber gemacht, was ich auf der Lesung tragen sollte. Erst als sie es sagte, wurde mir mit einem Schlag bewusst, dass ich mir um nichts anderes Gedanken hätte machen dürfen.
»Ich glaube, ich habe genau das Richtige.« Sie verschwand wieder im Hinterzimmer und kam kurz darauf mit einem weißen Lack-Jumpsuit mit schwarzen Paspeln an den Ärmeln zurück. »Ich hatte nicht genug Geld für das Material, deswegen ist er ziemlich klein ausgefallen. Wenn er passt, kannst du ihn geschenkt haben.«
Mit so viel
Weitere Kostenlose Bücher