Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
absichtlich ignoriert. Sicher hat er mein Stück gelesen und findet es schrecklich. Und jetzt traut er sich nicht, es mir zu sagen.
Als ich das Geschäft erreiche, sind meine Haare zerzaust und ich bin komplett nass geschwitzt. Ein Lack-Jumpsuit ist nicht gerade die richtige Bekleidung für schwül-warme Augusttage, da nützt es auch nichts, dass er weiß ist.
Von außen betrachtet ist die Boutique vollkommen unscheinbar. Ein riesiges, rußgeschwärztes Gebäude mit dunklen Fensterhöhlen, die wie traurige, verheulte Augen aussehen. Von innen ist sie eine Ofenbarung: ein stilvoll in zartrosa gehaltener Luxus-Hochzeits-Tempel, durch den alterslose, sanft lächelnde Verkäuferinnen schweben und in dem eine wie von Blütenblättern gedämpfte Stille herrscht. Als ich sage, dass ich eine Freundin von Samantha Jones bin, werde ich in eine eigene Suite mit Ankleideraum, Stufenpodest und 360-Grad-Spiegeln geführt. Außerdem stehen dort eine Kristallkarafe mit Wasser, eine Kanne Tee, eine Etagere mit Gebäck und — dem Himmel sei Dank — ein Telefon.
Nur von Samantha fehlt noch jede Spur. Stattdessen trefe ich dort auf eine gut aussehende ältere Dame, die etwas steif, die Beine sittsam an den Knöcheln gekreuzt und die Haare zu einem perfekten Helm toupiert, auf einem Samtsofa thront. Das muss Charlies Mutter Glenn sein.
Neben ihr sitzt eine junge Frau, die so ziemlich das genaue Gegenteil ist. Sie ist schätzungsweise Mitte zwanzig, trägt einen unförmigen blauen Hosenanzug und ist völlig ungeschminkt. Eigentlich ist sie ganz hübsch und könnte sicher etwas aus sich machen, aber der Anblick ihrer strähnigen Haare und ihrer resignierten Miene, weckt in mir den Verdacht, dass sie sich absichtlich hässlich macht.
»Hallo. Ich bin Glenn Tier«, stellt Charlies Mutter sich vor und streckt mir eine schmale knochige Hand mit einer edlen Platinuhr am mageren Gelenk entgegen. Sie muss Linkshänderin sein, denn die tragen ihre Uhren immer am rechten Handgelenk, damit jeder sofort erkennt, dass sie Linkshänder und aus diesem Grund automatisch interessanter und außergewöhnlicher sind. Glenn deutete auf die junge Frau neben sich. »Und das ist meine Tochter Erica.«
»Hallo.« Ericas Händedruck ist fest und herzlich. Ich finde sie sofort sympathisch, weil ich den Eindruck habe, dass sie genau weiß, wie anstrengend ihre Mutter ist und versucht, die verkrampfte Stimmung etwas aufzulockern.
»Freut mich«, sage ich mit einem Lächeln und setze mich auf die Kante eines der zierlichen Stühlchen.
Samantha hat mir verraten, dass Charlies Mutter geliftet ist und als sie sich jetzt die Haare glatt streicht, suche ich verstohlen ihr Gesicht nach verräterischen Spuren des Eingrifs ab. Sie sind nicht zu übersehen. Die Haut um ihren Mund ist einen Tick zu straf und die Mundwinkel sind leicht nach oben gebogen – wie bei Batmans Widersacher, dem Joker –, obwohl sie gerade überhaupt nicht lächelt. Außerdem scheinen ihre Augenbrauen gefährlich nahe an den Haaransatz gerutscht zu sein. Mein musternder Blick ist ihr ofenbar nicht entgangen, sie dreht sich nämlich plötzlich zu mir um und bemerkt mit einer wedelnden Geste, die meine ganze Person erfasst: »Übrigens sehr interessant, was Sie da tragen.«
»Vielen Dank«, erwidere ich. »Ich musste nicht einmal etwas dafür zahlen.«
»Das hofe ich doch.«
Ich kann nicht beurteilen, ob sie bewusst unhöflich ist oder
nur gedankenlos. Von plötzlicher Traurigkeit erfüllt, nehme ich mir ein Plätzchen und frage mich, warum es Samantha eigentlich so wichtig war, mich heute dabeizuhaben. Es fällt mir schwer, zu glauben, dass ich in ihrem zukünftigen Leben noch einen Platz haben werde.
Ein paar Minuten später schüttelt Glenn das Handgelenk und wirft einen Blick auf ihre Uhr. »Wo bleibt sie denn nur?«, fragt sie mit einem leisen, verärgerten Seufzen.
»Vielleicht steckt sie im Verkehr fest?«, versuche ich Samanthas Abwesenheit zu erklären.
»Es gehört sich trotzdem nicht, zu seiner eigenen Anprobe zu spät zu kommen«, erwidert Glenn und tarnt den Tadel mit einem freundlichen Lächeln. Als es kurz darauf klopft, springe ich mit einem erleichterten »Da ist sie ja!« auf, um die Tür zu öfnen.
Aber es ist nicht Samantha, sondern Donna LaDonna mit ihrer Mutter.
Trotzdem bin ich so froh darüber, nicht länger mit Glenn und ihrer Tochter allein sein zu müssen, dass meine Begrüßung vielleicht ein wenig übertrieben ausfällt. »Donna!«, rufe ich und falle ihr
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