Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
Schnurrbart um die zärtliche Aufmerksamkeit ihres Mannes konkurrieren zu müssen.
Plötzlich packt mich wilde Entschlossenheit. Ganz gleich, wie dieser Kurs für mich ausgehen wird: Ich werde es schafen. Ich werde Schriftstellerin.
Verstohlen mustere ich die anderen Kursteilnehmer. Wer wohl sonst noch zu dem erfolgreichen einen Prozent gehören wird?
»Sag mal, weißt du etwas über diese Rainbow und wer ihr Vater ist?«, frage ich L’il, als wir wieder zu Hause sind. Während sie sich an ihren Schreibtisch setzt, lasse ich mich aufs Bett fallen.
»Barry Jessen«, seufzt sie.
»Aha. Und wer ist Barry Jessen? Ich meine, ich habe schon mitgekriegt, dass er Künstler ist, aber …«
»Er ist nicht irgendein Künstler, sondern die Galionsfigur einer neuen Kunstbewegung, über die gerade ganz New York spricht. Die Jessens wohnen in SoHo, wo sich in den letzten Jahren lauter Künstler in leer stehenden Fabriken niedergelassen haben …«
»Rainbow wohnt in einem leer stehenden Fabrikgebäude?«, frage ich fassungslos. »Ohne fließendes Wasser und Heizung? Sie sieht gar nicht so aus, als wäre sie obdachlos. Im Gegenteil.«
»Ach, Carrie.« L’il schüttelt lachend den Kopf. »Rainbow ist nicht obdachlos. Viele Künstler haben die ehemaligen Textilfabriken und Druckereien in Lofts und Ateliers umgewandelt, weil die Mieten dort billig waren. Inzwischen ist SoHo ein total angesagtes Viertel, wo sich die Szene trifft und wilde Drogenpartys feiert. In die Galerien, die sich dort angesiedelt haben, pilgern Kunstkenner aus der ganzen Welt. Lies mal die New York Times oder das New York Magazine, da stehen ständig irgendwelche Artikel über die Gruppe um Barry Jessen drin.«
»Und Rainbow?«
»Na ja, sie ist die gemeinsame Tochter von ihm und Pican …«
»Pican? Etwa das Model?«
»Genau. Von ihrer Mutter hat Rainbow das Aussehen geerbt, das ihr im Leben bestimmt noch so einige Türen öfnen wird. Rainbow bekommt immer alles, was sie sich wünscht. Und wenn sie sich in den Kopf gesetzt hat, Schriftstellerin zu werden, dann schafft sie das auch. Verlass dich drauf.«
»Scheinbar haben manche Menschen einfach mehr Glück als andere«, seufze ich.
» Anscheinend«, korrigiert L’il mich grinsend. »Ja, sie ist echt zu beneiden. Ihre Eltern kennen alle wichtigen Leute in New York, und wenn Rainbow ein Buch veröfentlichen will, muss
sie nur mit den Fingern schnippen und ihr Vater findet garantiert einen Verlag, der sie unter Vertrag nimmt. Und dann bittet er alle Journalisten aus seinem Bekanntenkreis, das Buch in möglichst vielen Zeitungen und Zeitschriften zu besprechen, und es wird ein Beststeller.«
»Verdammt.« Ich nicke beeindruckt.
»Wir müssen uns unseren Erfolg dagegen hart erarbeiten. Uns wird nichts anderes übrig bleiben, als einfach etwas Geniales zu schreiben.«
»Genau. Ganz einfach«, schnaube ich und verdrehe die Augen.
L’il lacht.
»Und der blonde Typ, der heute neben ihr saß?«, frage ich. »Kennen die beiden sich?«
»Du meinst wahrscheinlich Capote Duncan. Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich kennen. Capote kennt eigentlich jeden.«
»Wieso das denn?«
»Weil er aus den Südstaaten stammt«, antwortet sie, als würde das alles erklären. »Er ist ziemlich süß, findest du nicht?«
»Im Gegenteil. Ich finde ihn ziemlich eingebildet.«
»Er ist gut mit Ryan befreundet. Die beiden sind im letzten Studienjahr und so weit ich mitbekommen habe, laufen ihnen die Mädchen scharenweise hinterher.«
Ich fange an zu prusten. »Aber der Typ sieht aus wie ein Pelikan! Du willst mich auf den Arm nehmen, oder?«
»Wenn ich es dir sage. Aber das wirst du ja bald selbst mitkriegen. Hör mal, Carrie …«, sagt sie dann zögernd. »Versteh das jetzt bitte nicht falsch, ich könnte noch stundenlang hier sitzen und mit dir reden, aber …«
»Ich weiß, ich weiß!« Seufzend stehe ich von ihrem Bett auf. »Wir sollten so viel Zeit wie möglich damit verbringen, zu schreiben.«
Ofensichtlich teilt L’il meine Klatschsucht – die ich gerne als »Wissbegier« tarne – nicht. Vielleicht liegt das daran, dass sie mehr auf sich selbst und ihre Begabung vertraut und nicht ständig das Gefühl hat, sich mit anderen vergleichen zu müssen. Nachdem ich niemanden mehr zum Reden habe, füge ich mich in mein Schicksal, kehre in meine fensterlose Zelle zurück, setze mich an den Schreibtisch und spanne einen Bogen Papier in die Schreibmaschine ein.
Zehn Minuten später sitze ich immer noch
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