Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
Hause einen Freund, den sie regelmäßig mit einem anderen betrügt. Ich finde das einfach nicht okay.«
»Das Herz will, was das Herz will«, sagt L’il.
Ich presse die Lippen aufeinander. »Ich hätte gedacht, dass ihr Herz es besser wüsste.«
Als wir in der New School ankommen, versucht Ryan sich sofort mit mir über Maggie zu unterhalten und schwärmt mir vor, wie toll er sie findet, aber ich nicke nur kühl. Rainbow lässt sich ausnahmsweise dazu herab »Hi« zu sagen, während Capote mich wie üblich ignoriert. Wenigstens er benimmt sich so wie immer.
Und dann bittet Viktor mich, die ersten zehn Seiten meines Stücks vorzulesen. Es dauert einen Moment, bis ich mich von dem Schock erholt habe. Ich musste bisher noch nie etwas vortragen und außerdem – wie soll das überhaupt gehen? Schließlich gibt es in dem Stück einen männlichen und einen weiblichen Part. Er kann doch wohl nicht erwarten, dass ich beide lese und mich vor dem kompletten Kurs zur Idiotin mache?
Aber Viktor hat dieses Problem bedacht. »Sie übernehmen Harriets Rolle«, sagt er. »Und Capote die von Moorehouse.«
»Harriet? Moorehouse?« Capote verdreht die Augen. »Was soll das denn für ein Name sein?«
»Ich nehme an, das werden wir gleich herausfinden«, sagt Viktor und zwirbelt seinen Schnurrbart. Allmählich verwandelt sich meine Nervosität in angespannte Vorfreude. Endlich habe ich die Gelegenheit zu beweisen, was ich kann. Das ist das Beste,
was mir in den letzten beiden Tagen passiert ist. Vielleicht wiegt es sogar alles Schlechte auf.
Ich darf mein Stück lesen! Das Manuskript an die Brust gedrückt, stehe ich auf und gehe nach vorn. Capote trottet mir missmutig hinterher. »Und was ist dieser Moorehouse für ein Typ?«, fragt er.
»Ein vierzigjähriger Mann, der gerade in der Midlifecrisis steckt. Und ich bin seine zickige Frau.«
»Das passt ja«, brummt er.
Ich lächle. Ist das der Grund für seine Abneigung? Dass er mich für eine Zicke hält? Soll er ruhig, ich habe nichts dagegen.
Wir beginnen zu lesen. Als wir auf der zweiten Seite sind, entspanne ich mich allmählich und gehe ganz in der Rolle der Harriet auf, einer Frau, die einmal große Ambitionen hatte, aber immer im Schatten ihres kindischen Ehemanns stand und jetzt verbittert und unglücklich ist.
Als wir auf der dritten Seite angelangt sind, beginnen die anderen zu merken, dass das Stück satirisch gemeint ist und fangen an zu kichern. Ab der fünften Seite setzt immer wieder lautes Gelächter ein und als wir fertig sind, wird sogar vereinzelt geklatscht.
Wow.
In der törichten Annahme, vielleicht irgendein Zeichen der Anerkennung von Capote zu bekommen, spähe ich zu ihm hinüber, aber er weicht meinem Blick aus und verzieht keine Miene. Schließlich ringt er sich zu einem gemurmelten »Nicht übel« durch, allerdings bin ich mir sicher, dass er das nur aus reiner Höflichkeit sagt.
Es ist mir egal. Als ich an meinen Platz zurückkehre, schwebe ich mehr, als dass ich gehe.
»Kommentare?«, fragt Viktor.
»Mir kam es wie eine Art moderne Version von ›Wer hat Angst vor Virginia Woolf‹ vor«, sagt Ryan und ich werfe ihm einen dankbaren Blick zu. Ich mag ihn. Schade nur, dass es mit seiner Loyalität vorbei ist, sobald es um Sex geht. Darf man jemanden, der seine Verlobte betrügt, überhaupt nett finden?
»Ich finde es beachtlich, wie gut es Carrie gelungen ist, einem an sich banalen, alltäglichen Streit eine solche Tiefe zu verleihen«, lobt Viktor. »Die Szene während des Zähneputzens stattfinden zu lassen, war ein brillanter Einfall. Das ist etwas, was jeder von uns macht, egal, wer wir sind.«
»Stimmt. Genau wie scheißen«, bemerkt Capote.
Ich lächle, als wäre ich darüber erhaben, mich über so einen Spruch zu ärgern. Aber jetzt ist es amtlich: Ich hasse ihn.
Viktor streichelt sich mit der einen Hand über den Schnurrbart und mit der anderen über den Kopf, als müsse er sich vergewissern, dass alle Haare noch da sind. »Gut. Wie wäre es, wenn L’il uns jetzt mit einem ihrer Gedichte beglückt?«
»Gern.« Sie steht auf und geht nach vorn.
»Es heißt ›Der gläserne Schuh‹.« Sie räuspert sich kurz und holt dann tief Luft. »Die Liebe hat mich gebrochen und jetzt bin ich wie aus Glas. An einem Felsen in Stücke geschlagen. Benutzt und dann fortgeworfen.« Das Gedicht geht noch ein paar Zeilen in ähnlich verzweifeltem Ton weiter. Als L’il fertig ist, lächelt sie unsicher.
»Möchte sich jemand dazu äußern?«,
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