Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
fragt Viktor. Seine Stimme klingt ungewohnt scharf.
»Ich fand es sehr berührend«, melde ich mich. »Das zerbrochene Glas ist eine tolle Metapher für ein gebrochenes Herz.« Während sie das Gedicht vorlas, hatte ich unwillkürlich daran
denken müssen, wie ich mich fühlen werde, wenn Bernard unsere Beziehung beendet.
»Es ist verkrampft und bemüht«, sagt Viktor. »Schulmädchenhaft und voller billiger Klischees. So etwas kommt dabei heraus, wenn man sich auf seinen Lorbeeren ausruht.«
L’il nickt gefasst, als würde ihr seine heftige Kritik nicht allzu viel ausmachen, und setzt sich dann wieder an ihren Platz. Aber als ich ihr über die Schulter einen Blick zuwerfe, sehe ich, dass sie den Kopf gesenkt hat und unglücklich vor sich hinstarrt. Wie ich L’il einschätze, würde sie sich nie dazu hinreißen lassen, vor der Klasse zu weinen, dabei bin ich mir sicher, dass jeder hier sie verstehen würde. Wir wissen alle, dass Viktor in seinem Urteil sehr hart sein kann, allerdings hat er bisher noch nie jemanden absichtlich so verletzt.
Ofensichtlich ist ihm selbst nicht ganz wohl dabei, denn er fingert so hektisch an dem armen Waldo herum, als wolle er ihn sich aus dem Gesicht reißen. »Jedenfalls freue ich mich schon darauf, bald mehr von Carries Stück zu hören. Bei L’il hingegen … nun ja …« Er beendet seinen Satz nicht und wendet sich ab.
Eigentlich müsste ich jetzt außer mir sein vor Freude, aber das bin ich nicht. L’il hat diese Kritik nicht verdient, was wiederum bedeuten könnte, dass auch ich das überschwängliche Lob nicht verdient habe. Solch ein Triumph hinterlässt ein schales Gefühl, wenn er auf Kosten eines anderen geht.
Während ich meine Sachen zusammenpacke, kann ich immer noch kaum fassen, was gerade passiert ist. Ofensichtlich ist Viktor Greene genauso wankelmütig wie andere Männer, nur dass er es nicht in Bezug auf die Frauen ist, mit denen er schläft, sondern auf die, die er unterrichtet. Am Anfang des Kurses war
L’il seine Lieblingsstudentin und jetzt bin ich auf einmal seine Favoritin.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie L’il aus dem Klassenzimmer flüchtet, und laufe ihr hinterher. Ich schafe es gerade noch zu ihr in die Aufzugskabine zu schlüpfen, bevor die Türen sich schließen. »Das tut mir leid, L’il. Mir hat dein Gedicht total gut gefallen«, versuche ich Viktors Kritik wieder ein bisschen wettzumachen.
L’il drückt sich ihre Tasche an die Brust. »Nein, er hat recht. Das war nichts. Ich muss mich wirklich noch mehr anstrengen.«
»Du strengst dich doch schon viel mehr an als jeder andere aus unserem Kurs, L’il. Du arbeitest viel härter als ich. Wenn hier jemand faul ist, dann ich.«
Sie schüttelt den Kopf. »Du bist nicht faul, Carrie. Und du hast keine Angst.«
Ich sehe sie verwirrt an. Sie weiß doch genau, von welchen Selbstzweifeln ich geplagt werde. »Das stimmt nicht.«
»Doch. Du hast keine Angst vor dieser Stadt. Du hast keine Angst davor, neue Sachen auszuprobieren.«
»Du auch nicht«, sage ich.
Mittlerweile sind wir unten angekommen und treten auf die Straße. Die Sonne strahlt vom Himmel und die Hitze lässt die Luft flirren.
L’il kneift die Augen zusammen und setzt sich eine dieser billigen Sonnenbrillen auf, die hier an jeder Ecke von Straßenhändlern verkauft werden. »Freu dich über das Lob, Carrie«, sagt sie. »Und mach dir keine Gedanken über mich. Hast du es Bernard schon gezeigt?«
»Was?«
»Dein Stück. Du solltest es ihm zu lesen geben. Ich bin mir sicher, dass er begeistert sein wird.«
Ich sehe sie skeptisch an und frage mich, ob sie das ironisch meint, aber in ihrer Stimme schwingt nicht der leiseste Spott mit. Außerdem würde das auch gar nicht zu L’il passen. Seit ich sie kenne habe ich noch keine einzige neidische Bemerkung aus ihrem Mund gehört.
»Ja«, sage ich nachdenklich. »Vielleicht zeige ich es ihm wirklich. «
Die Frage ist nur, ob Bernard nach dem gestrigen Abend überhaupt noch mit mir redet.
Aber darüber werde ich mir später den Kopf zerbrechen — jetzt gilt es erst einmal, Samantha dabei zu helfen, Charlie mit ihren Kochkünsten zu beeindrucken.
17
»Okay, womit fangen wir an?«, fragt Samantha und klatscht betont tatkräftig in die Hände.
Ich muss mir ein Grinsen verkneifen. »Na ja, zuerst müssen wir uns überlegen, was wir kochen wollen, und dann besorgen wir die Zutaten.«
»Gut. Und wo besorgen wir die?«
Ich schaue sie ungläubig an. »Äh … in einem
Weitere Kostenlose Bücher