Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
seufze ich und muss mir insgeheim eingestehen, dass ich mich schon genauso arrogant anhöre wie Capote. »Darauf freue ich mich ja auch«, füge ich halbherzig hinzu.
»Walt!«, ruft mein Vater, der in diesem Moment auf die Veranda tritt.
»Mr Bradshaw.« Walt springt auf, und mein Vater umarmt ihn zur Begrüßung, was mein Gefühl, ausgeschlossen zu sein, nur noch verstärkt.
»Wie geht es dir, mein Junge?«, fragt mein Vater. »Deine Haare sind länger. Ich hätte dich fast nicht wiedererkannt.«
»Walt trägt seine Haare doch ständig anders, Dad«, sage ich und füge an Walt gewandt hinzu: »In Wirklichkeit wünscht er sich wahrscheinlich, dass du sagst, dass du ihn kaum erkannt hast. Seit Neuestem versucht er nämlich, jünger auszusehen.« Ich lasse es wie einen liebevollen Scherz klingen, damit niemand auf die Idee kommt, die Bemerkung könnte eine gemeine Stichelei gewesen sein.
»Was ist so schlimm daran, jünger aussehen zu wollen?«, ruft mein Vater gut gelaunt und verschwindet in der Küche, um neue Drinks zu machen.
Er lässt sich verdächtig lange Zeit und läuft ungefähr alle zwei Sekunden aufgeregt zum Fenster, wie eine Sechzehnjährige, die darauf wartet, dass ihr Schwarm endlich kommt. Als Wendy kurz darauf schließlich auftaucht, stürmt er freudestrahlend aus dem Haus, um sie zu begrüßen.
»Ist das zu fassen?«, frage ich Walt, völlig entsetzt vom pubertären Verhalten meines Vaters.
»Was soll ich dazu sagen? Er ist verliebt.«
»Er ist mein Vater«, halte ich dagegen.
»Und verliebt.«
Ich setze gerade zu einer giftigen Erwiderung an, als Dad und Wendy Hand in Hand ins Haus treten.
Mir dreht sich der Magen um. Die Beziehung ist ofensichtlich ernster, als ich gehofft hatte.
Wendy ist eigentlich ganz hübsch — wenn man auf blond gefärbte Frauen steht, die sich so viel blauen Lidschatten um die Augen malen, dass sie wie ein Waschbär aussehen.
»Benimm dich«, raunt Walt mir warnend zu.
»Oh, keine Sorge, ich werde die Nettigkeit in Person sein.« Ich lächle verknifen.
»Soll ich gleich den Rettungswagen rufen oder lieber noch etwas warten?«
Mein Vater öfnet die Fliegengittertür und schiebt Wendy auf die Veranda. Ihr Lächeln ist strahlend und – wie ich finde – total aufgesetzt.
»Hallo! Du musst Carrie sein!« Sie umarmt mich so herzlich, als wären wir jetzt schon beste Freundinnen.
»Wie haben Sie das so schnell erkannt?«, frage ich und winde mich sanft, aber bestimmt aus ihrer Umklammerung.
Sie wirft Dad ein liebevolles Lächeln zu. »Dein Vater hat mir alles über dich erzählt. Er spricht ununterbrochen von dir. Er ist so stolz auf dich.«
Ihre unangebrachte Vertraulichkeit stößt mir sofort sauer auf. »Das ist Walt«, sage ich, um von mir abzulenken. Was kann mein Vater ihr schon über mich erzählt haben?
»Hallo, Walt«, begrüßt Wendy ihn eine Spur zu herzlich. »Seid ihr beide ein …«
»Paar?«, beendet Walt den Satz für sie. »Wohl kaum.«
Wir brechen beide in Lachen aus.
Wendy neigt den Kopf und wirkt einen Moment lang irritiert. Aber sie fängt sich schnell wieder.
»Tut mir leid. Ich finde es ganz wunderbar, dass Männer und Frauen heutzutage auch einfach nur befreundet sein können, ihr nicht auch?«
»Ja, und manchmal wäre es noch wunderbarer, wenn es bei einer Freundschaft bliebe«, murmle ich und ermahne mich stumm an mein Gelöbnis, nett zu sein.
»Seid ihr so weit? Können wir fahren?«, fragt mein Vater.
»Dein Vater hat uns einen Tisch in diesem tollen neuen Restaurant reserviert. Dem Boyles. Hast du schon davon gehört?«, fragt Wendy.
»Nein.« Ich kann es mir nicht verkneifen, naserümpfend hinzuzufügen: »Ich wusste noch nicht einmal, dass es in Castlebury überhaupt richtige Restaurants gibt. Wir sind früher immer nur ins Hamburger Shack gegangen.«
»Dein Vater und ich gehen mindestens zweimal die Woche essen«, erzählt Wendy.
Mein Vater nickt zustimmend. »Neulich waren wir sogar in einem japanischen Restaurant in Hartford.«
»Tatsächlich«, sage ich unbeeindruckt. »In New York gibt es an jeder Ecke einen Japaner.«
»Aber ich wette, die sind nicht halb so gut wie der in Hartford«, witzelt Walt.
Mein Vater wirft ihm einen dankbaren Blick zu. »Dieses Restaurant ist wirklich etwas ganz Besonderes.«
»Wenn du es sagst«, murmle ich, einfach um noch einen draufzusetzen.
Wir gehen zur Einfahrt hinunter, wo Walt in seinen Wagen steigt.
»Bis bald«, ruft er, nachdem er den Motor angelassen hat, und winkt
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