Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)

SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)

Titel: SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Dives
Vom Netzwerk:
gewesen.  
    Er hatte ein Studium der Literatur an der New York University angefangen, wieder abgebrochen, dann zwei Jahre bei den Green Berets in der U.S. Army gedient. Anschließend eine Ausbildung zum Journalisten gemacht und nebenbei immer viel gearbeitet in allen möglichen Bars und Imbissbuden. Vor fünf Jahren war er nach Europa gegangen.  
    Der Tod des Vaters vor zwei Jahren, ein Herzinfarkt während der Arbeit beim städtischen Transportunternehmen, hatte sie das letzte Mal hier in New York zusammengeführt.  
    Carl hatte Tony damals vorgeworfen, sich finanziell zuwenig um den alleinstehenden Vater gekümmert zu haben, der in ihrem alten Haus in Brooklyn ein bescheidenes Leben geführt hatte. «Er hätte gar nicht mehr zu arbeiten gebraucht, wenn du ihm ein Stück von deinem beschissenen Luxus abgetreten hättest! Nie warst du für ihn da, jede Minute war dir zuviel. Er hat darunter gelitten. Unter deiner blinden Selbstsucht.» Dies und anderes hatte er Tony nach der Beerdigung unterstellt. Vielleicht ein Ausdruck seines Schmerzes, gemischt mit dem Unverständnis für meinen Beruf, meine Art zu leben, wer weiß! Er lag damit nicht ganz falsch. Ich war nie da. Nicht für Carl, nicht für Pa, für niemanden wirklich. Außer für mich selbst. Damals habe ich alle Vorwürfe von mir gewiesen, kein Wunder bei dem Wahn, der mich geritten hat.  
    Victor Anthony Levine hätte nicht im Traum Geld von seinen Söhnen angenommen, ein Abendessen hie und da war das Maximum gewesen. Und auch da bestand er darauf, den Drink nach dem Dinner zu spendieren. Er war ein stolzer, bescheidener und aufrichtiger Mann gewesen. Wie sein jüngerer Sohn.
    Carl.  
    Tonys Bruder und er waren als Kinder unzertrennlich gewesen, hatten ihre Nachbarschaft in den Straßen von Midwood erkundet und unzählige Schwüre geleistet. Sie hatte sich gegenseitig über ihre zweiten Vornamen, Raymond und Tyler, lustig gemacht. Tony hatte Carl nur «Ty» genannt, umgekehrt nur «Ray». Dann kam die High School.  
    Tony wandte sich bald anderen Interessen zu anhand der schlagartig gestiegenen Auswahl an weiblicher Begleitung. Der kleine Bruder war plötzlich nicht mehr so wichtig gewesen. Je älter sie wurden, desto unterschiedlicher ihre Wege, desto dünner das Band zwischen ihnen.  
    Besonders die Zeit beim Militär hatte Carl verändert. Er war geschliffener, aufmerksamer, aber auch ehrgeiziger und mit extremerer Selbstkenntnis zurückgekehrt. Er hatte nie in einem Krisengebiet gedient – glücklicherweise – aber die harte Ausbildung bei der Elitetruppe hatte Carl seine Grenzen aufgezeigt. Und wie er sie überschreitet , dachte Tony.
    Nach dem Tod des Vaters und dem darauffolgenden Bruderzwist hatte sich Tony noch mehr in seine Arbeit eingegraben als sonst schon, viele erfolgreiche Geschäfte abgeschlossen und nicht mehr allzu viel über Carl nachgedacht.  
    Er war stets der stolzen, ja arroganten Auffassung gewesen, dass sein jüngerer Bruder irgendwann mit einer Entschuldigung herausrücken würde. Carl, das wusste Tony, konnte mit der Geld-Industrie und dem dazugehörigen Pomp nichts anfangen. Er erachtete Tonys Erfolg als schal und opportunistisch. Carl war kein Materialist, Tony eigentlich auch nicht. Er war einfach gut und effizient in dem, was er tat. Aber Tony war kein Idealist, wie sein Bruder.  
    In der «Downtown Weekly» waren regelmäßig Storys von Carl zu lesen gewesen. Starke, involvierende Geschichten, die nach harter Recherche-Arbeit verlangten. Ein Job für Leute, die sich nicht so leicht abschrecken lassen. Tony hatte damals den ersten Artikel seines Bruders auf einen Karton aufgezogen und eingerahmt. Er hing immer noch in seiner Bibliothek an der Wand, eine identische Version hatte er Carl geschenkt damals. Seit einiger Zeit hatte der Name «Carl Tyler Levine» mit dem Kürzel «CTL» unter keiner der Geschichten mehr gestanden. Die Zeitung hatte generell in den letzten Jahren etwas an Schwung verloren. Die mutigen Geschichten waren rar geworden.  
    Erst jetzt realisierte Tony, dass die Artikel aus der Feder seines Bruders die längste Zeit der unbewusste Hauptgrund für das Abonnement der Zeitung gewesen war. Zuletzt hatte er die Ausgaben nicht mal mehr im Detail gelesen. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Wie versunken in meiner Arroganz, wie verblendet war ich denn nur gewesen! Ich Idiot!  
    Als wäre er lange Zeit blind gewesen, eingelullt in einen Cocoon aus Reichtum, Geschäften und Vergnügungen, zeigte sich

Weitere Kostenlose Bücher