SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
sah die weltweiten Schlagzeilen vor seinem geistigen Auge auftauchen. Er beendete seinen Rundgang und überließ den Tatort den Spezialisten von der Spurensicherung. In Begleitung des Bundesbeamten machte er sich auf den Weg zurück in die Lobby.
«Ein grausiges Gemetzel! Wer könnte von so etwas profitieren?» fragte Felber.
«Wer weiß! Vielleicht haben sich Wolkows teilweise fragwürdigen Kontakte gegen ihn gewandt. Der russische Geheimdienst kommt kaum infrage, die wären unauffälliger vorgegangen.»
«Vielleicht eine Erpressung? Eine schiefgelaufene Übergabe?» Felber kannte derartige Vorfälle bisher nur von Erzählungen ausländischer Kollegen auf internationalen Polizeikader-Konferenzen.
«Anscheinend hat sich Wolkow mit den beiden anderen Geschäftsleuten aus Weißrussland hier zu einer Unterredung bei einem Abendessen getroffen. Aber diese sind ja ebenfalls umgekommen, also muss wohl eine dritte Partei dahinterstecken», bemerkte der Nachrichtendienstler. Er strich sich über das Kinn und zog eine finstere Mine. «Es könnte sich auch um ein Attentat handeln. Scheint mir aber eher unwahrscheinlich, es gäbe bessere Gelegenheiten für einen Anschlag als ein relativ sicheres Luxushotel in den Schweizer Alpen.»
Felber stutzte. «Schaut meines Erachtens eher nach einem Raubüberfall oder einem geplatzten Deal aus. Bisher wurde allerdings kein Objekt sichergestellt, welches ein derartiges Schlachthaus gerechtfertigt hätte. Die Täterschaft ist wahrscheinlich schon über alle Berge, im wahrsten Sinne des Wortes. Straßensperren sind inzwischen aufgestellt worden auf allen Fluchtwegen aus dem Hochtal. Wahrscheinlich zu spät.»
Felber konnte sich keinen Reim auf die Sache machen. Erste Erkenntnisse der Untersuchungen am Tatort bestätigten die Anwesenheit einer Fremdeinwirkung. Neben den Hülsen passend zu den Kugeln der Waffen der Leibgarde und der Maschinenpistolen der Polizeigrenadiere waren am Tatort unzählige weitere Geschossrückstände aufgelesen worden, die zu keiner der anderen Waffen passte.
«Ich tippe auf einen Überfall» bemerkte der Polizeihauptmann. «Welche Art heiße Ware hatte Wolkow bei sich, wofür es sich gelohnt hätte, ihn umzubringen?»
«Schwer zu sagen!», meinte Felber. «Wir müssen die Ergebnisse der Spurensicherung abwarten.»
Der Nachrichtendienstler nickte. «Und die Frau?»
«Bisher haben wir keine Personalausweise, Kreditkarten oder sonstige Hinweise auf ihre Identität gefunden. Eine Designerjacke, ein paar eng geschnittene Kleider und Unterwäsche waren im Schlafzimmer abgelegt. Sie trug nichts außer der Abendrobe und Dessous zum Zeitpunkt ihres Todes.»
«Vielleicht ein Escort-Mädchen?»
Felber zog die Augenbraue hoch. «Ich werde ihr Bild mit unserer Datenbank abgleichen, aber auch da sehe ich eher schwarz. Sie ist nur dann bei uns verzeichnet, wenn sie sich etwas zu Schulden hat kommen lassen. Und normalerweise passiert sowas genau einmal in diesen Kreisen.»
«Und das Arbeitsamt?»
«Ich schätze, sie ist Ausländerin, und bezahlt ihre Steuern woanders. Falls überhaupt.» Felber hatte seine Zweifel.
Der Nachrichtendienstler prüfte seine Notizen. «Ihrer überaus teuren Unterwäsche nach zu interpretieren hat sie jedenfalls prächtig verdient. LaPerla ist nicht unbedingt eine Marke für das breite Volk. Was sie trug kostet grob geschätzte 1000 Euro, einmal abgesehen vom seidenen Designer-Bademantel. Ich werde sie mal in den internationalen Fahndungs-Verzeichnissen suchen lassen.»
5
Felber ging die bisherigen Ergebnisse der Untersuchungen durch. Die Opfer fünf, sechs, sieben, acht und neun waren die Leibgarde des Wolfes und seiner Geschäftspartner gewesen. Ihre Bewaffnung mit verschiedenen 9mm-Pistolen, die Headsets, Kompaktfunkgeräte und Sonnenbrillen ließen daran keine Zweifel.
Die vermeintlichen Beschützer hatten vor ihrem Tod verzweifelt versucht, Deckung zu finden vor den Kugelsalven der Angreifer. Ihre sterblichen Überreste waren auf alle Räume der Suite verteilt. Zwei befanden sich im Schlafzimmer, zwei im Wohnzimmer, einer davon bäuchlings auf dem Esstisch über den Überresten eines Tellers mit Muscheln. Tischtuch, Besteck, Geschirr, Essensreste und Weinflecken am Boden zeugten von einem reichhaltigen Dinner mit exquisiten Speisen, bevor der Tanz losgegangen war.
Der letzte der fünf Leibwächter lag rücklings quer in der leeren Badewanne im luxuriösen Badezimmer, ein halbes Dutzend
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